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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen
Autoren: S Wiggs
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streichelte ihm noch ein wenig den Rücken, dann schlüpfte sie aus dem Zimmer und ging wieder nach unten. Sie war kein bisschen müde. Die heutige Begegnung mit Sam hatte sie unruhig und ein bisschen nervös zurückgelassen.
    Sie räumte ein letztes Mal in diesem Sommer die Küche auf und stieß dabei auf eine halb volle Flasche Rotwein. Er war inzwischen sicher umgekippt. Sie hielt die Flasche schon über den Ausguss, um sie wegzugießen, doch stoppte mitten in der Bewegung.
    Was soll’s, dachte sie und nahm sich ein Weinglas. Sie hatte noch nie zuvor alleine getrunken. Sie hatte aber auch nie zuvor ein so großes Bedürfnis gehabt, sich in Selbstmitleid zu suhlen. In der Vergangenheit war sie der Welt immer positiv gegenübergetreten, komme, was wolle. Doch dieses Mal war es anders, unmöglich beiseitezuschieben oder zu verdrängen. Eine tiefe Melancholie zupfte an ihr, und für diesen einen Abend entschied sie, es zuzulassen. Warum auch nicht? Das hier sollte der Sommer ihrer Unabhängigkeit sein, ihre Bestätigung, dass sie total zufrieden mit dem war, was sie war – eine alleinerziehende Mutter, eine Autorin, eine Tochter, eine Schwester. Im Juni war sie fest entschlossen hergekommen, sich von der Schmach ihrer Kündigung zu erholen und gestärkt daraus hervorzugehen.
    Stattdessen war das Unmögliche passiert: Sie hatte einen Mann kennengelernt und hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt.
    Die Erinnerung ließ sie lächeln, auch wenn sie vor Schmerz zusammenzuckte.
    Die Weinflasche war noch von einem Abend übrig, an den sie sich mit quälender Deutlichkeit erinnerte. Es war der Merlot, den sie mit JD getrunken hatte. Sie erinnerte sich daran, wie sie neben ihm auf der Schaukel auf der Veranda gesessen und eine Entenfamilie beobachtet hatte, während die Sonne langsam unterging. Sie erinnerte sich auch daran, gedacht zu haben, wie perfekt alles an diesem Abend zusammenpasste. Vor allem sie und JD. Sie ließ ihre Gedanken durch den Sommer gleiten, erinnerte sich an Gespräche, die sie geführt, und Gelächter, das sie geteilt hatten, an jede intime Berührung, jedes romantische Flüstern.
    Ihre Hand zitterte, und der Flaschenhals stieß gegen das Glas, als sie sich einschenkte. Dann nahm sie Flasche und Glas und ging zum Wasser. Ich betrinke mich jetzt! dachte sie. Was für eine Premiere!
    Ein geheimnisvoller Sommermond stand am Himmel. Er ragte hinter den zerklüfteten Schultern der Berge auf. Er war riesengroß und schien nah genug, um ihn berühren zu können.
    „Auf dich“, prostete Kate ihm zu, als sie sich auf dem Steg niederließ. „Und auf ... wen auch immer.“ Ihr fiel nicht ein einziger aufbauender Satz ein. Sie nahm einen großen Schluck. Wenigstens eine Sache hatte heute geklappt – der Wein war nicht umgekippt. Das Wasser schlug in sanften Wellen ans Ufer. Auf der anderen Seite des Weges konnte sie Lichter sehen. Ein paar Boote waren auf dem See, und sie konnte sehen, wie eine Laterne sich am Rande des Wassers bewegte.
    Sie trank noch einen Schluck Wein und entschied, dass sie ganz schlecht darin war, sich in Mitleid zu wälzen. Sie versuchte die ganze Zeit, rational zu bleiben, sich zusammenzureißen. Was ihr passiert war, war leider nichts Besonderes. Überall auf der Welt erlebten Frauen das jeden Tag. Sie hatte sich verliebt, und es hatte nicht geklappt. So einfach war das. Aber daran, wie weh es tat, war leider gar nichts einfach.
    Das Boot mit der Laterne schien näher zu kommen. Sie schwenkte den Wein im Glas und starrte auf die einsame Silhouette, die sich gegen den Mond erhob. Kräftige Arme, die in langen, gleichmäßigen Zügen ruderten.
    Kates Herz fing an zu rasen. Sie saß wie angewurzelt da, die Beine über dem Wasser baumelnd. Und endlich, im unpassendsten Moment, stürzten sich die Tränen, die sie den ganzen Tag so tapfer zurückgehalten hatte, über ihre Wangen. Sie versuchte, sie mit einem Zipfel ihres T-Shirts zu trocknen, aber sie liefen einfach weiter – ein unendlicher Strom aus Erleichterung, Freude, Angst und Vorahnung.
    JD steuerte das Boot längsseits des Stegs und band es fest. „Ich habe gehört, dass es unhöflich ist, alleine zu trinken.“
    „Ich war nicht alleine.“ Sie schniefte und wischte sich noch einmal übers Gesicht. „Ich habe dem Mond zugeprostet.
    „Du bist verrückt, weißt du das?“
    „Ja, das weiß ich“, sagte sie und gab den Versuch auf, ihre Tränen zurückzuhalten. Ihre Gefühle waren ein Teil dessen, wer sie war. Sie wollte sich
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