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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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Gute Nacht sagen, als er gerade mit dem gruseligen rotbärtigen Mann seine tägliche Runde Schach spielte.
    »Spielen wir heute Abend um den kleinen Juden«, hörte ich ihn sagen. Er meinte mich, das war mir sofort klar. Ich erzählte Tante Toni, was ich gehört hatte. Sie versuchte mich zu beruhigen.
    Am nächsten Morgen, wir frühstückten gerade, tauchten plötzlich deutsche Soldaten auf dem Kiesweg auf. Tante Toni zischte: »Hau ab! Nach oben!«
    Ich stürmte die Treppe hinauf in mein Versteck. Nach einer Weile holte mich Tante Toni. »Sie kamen wegen Onkel Jo, aber der war schon auf der Arbeit.«
    Onkel Jo erwischten sie in der Redaktion. Er wurde ein paar Wochen festgehalten. Ich konnte nicht länger in Bussum bleiben. Über Bekannte fand man die Untertauchadresse meiner Eltern heraus. Schließlich wurde beschlossen, dass ich auch dorthin sollte. Der Mann vom Widerstand brachte mich zu meinen Eltern, die ich über ein Jahr nicht gesehen hatte. Vater drückte mich an sich; Mutter schien mich nie wieder loslassen zu wollen. Sie hörte nicht auf, mich mit Küssen zu bedecken, während sie leise Lieder von früher sang. Derselbe Mann vom Widerstand sorgte auch dafür, dass wir in ein Häuschen in Hoograven ziehen konnten, was heute zur Stadt Utrecht gehört. Wir wohnten dort zusammen mit einer jungen Frau; meine Eltern mochten sie nicht. Ich fand sie nett. Sie war immer fröhlich, was man von meinem Vater und meiner Mutter nicht gerade sagen konnte. Manchmal wachte ich nachts von Kichern und tiefen deutschen Männerstimmen auf.
    Eines Morgens sägte Vater ein Loch in den Boden des Schranks unter der Treppe. Darunter befand sich ein etwa 70 Zentimeter hoher Hohlraum, der als Versteck dienen konnte. Mein Vater wollte, dass ich dort hineinkroch, um zu schauen, ob es ging. Man konnte darin nur liegen, nicht einmal hinhocken war möglich. Er schob die Luke zu. Ich fand es total unheimlich.
    In dem Dorf Hoograven war tagsüber so wenig los, dass Vater meinte, wir könnten spazieren gehen. Sonnenschein. Frische Luft. Auf einem dieser Spaziergänge entdeckten wir einen Wassergraben. »Weißt du was«, sagte mein Vater, »ich hab im Schuppen Angeln stehen sehen. Die probieren wir mal aus.«
    Ein paar Tage später zogen wir los, jeder mit einer Angel in der Hand. Als wir fast am Graben angekommen waren, sagte mein Vater plötzlich: »Weitergehen, einfach weitergehen!«
    Er hatte zwei Soldaten mit Gewehren in unsere Richtung kommen sehen.
    Ein paar Sekunden später standen wir ihnen gegenüber, noch nie war ich »unserem Feind« so nah gewesen. Zuerst sah ich die Stiefel. Um ihre Gesichter sehen zu können, musste ich den Kopf in den Nacken legen. Große Helme, große dunkle Sonnenbrillen und ein sehr großes Gewehr.
    »So, ihr geht also Angeln?«, fragte einer der beiden, während er mich ansah.
    Sie unterhielten sich fast freundlich mit meinem Vater. Auf Niederländisch! Ein paar Minuten später konnten wir weitergehen.
    »Einen guten Fang!«, wünschte uns einer der Männer. Der andere strich mir über den Kopf.
    Wir gingen schweigend weiter. Sobald sie außer Sichtweite waren, zischte mein Vater: »Zurück nach Hause! Ich kenne einen der beiden, und er hat mich auch erkannt.«
    Über einen Umweg gingen wir nach Hause, immer schneller. Vater schaute sich immer wieder um, so hatte ich ihn noch nie erlebt.
    Als ich schlafen ging, sagte er: »Es ist besser, du schläfst heute Nacht im Versteck.«
    Allein bei dem Gedanken überlief es mich kalt, aber das wollte ich nicht zugeben. Mit einer Wolldecke kroch ich eine Stunde später ins Versteck. Die Füße zuerst, dann der Rest. Es war mühsam.
    Schließlich lag ich gut. Die Luke wurde zugemacht. Dicht über mir war der Holzfußboden. Ich lag in meiner Decke auf der kalten Erde. Es war stockdunkel. Eine Weile noch hörte ich gedämpfte Stimmen. Danach nichts mehr.
    Irgendwann in der Nacht wurde ich wach. Es war kalt. Sobald ich begriff, wo ich war, geriet ich in Panik. Die Erde unter mir war nass. Ich hörte Schreie, merkte aber schnell, dass ich es selbst war, der schrie. Ich krabbelte aus dem Versteck. Im Wohnzimmer war niemand. Ich schlich mich zu meinem Bett, wo ich vor Kälte zitternd auf das Ende der Nacht wartete.
    Als ich morgens nach unten kam, zitterte ich noch immer. Nach einer Weile bekam ich eine Tasse Tee von der jungen Frau, die uns aufgenommen hatte. Noch später kamen Vater und Mutter irgendwoher, auch sie zitterten am ganzen Leib. »Komm mit«, sagte Mutter,
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