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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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während sie mich die Treppe raufschob. »Erst trockene Sachen anziehen.« Sie erzählte mir, dass die Deutschen die Deiche gesprengt hatten, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Dadurch wurden große Teile des Landes überflutet und der Grundwasserspiegel in der Umgebung stieg.
    Spät am Abend brachte uns der Mann vom Widerstand zu einer neuen Adresse.
    Gemeinsam mit anderen jüdischen Untertauchern bewohnten wir jetzt ein altes Haus an der Stadhouderslaan, einer breiten Straße am Rande Utrechts. Die Hausbesitzer Jo und Jos verdienten gut an den Untertauchern. Sie kommandierte ständig alle herum, er kochte, wischte Staub und fegte. Und sang den ganzen Tag mit einer seltsam hohen Mädchenstimme.
    Das gesamte Haus war unterkellert. Der chaotische Keller wurde nur selten betreten. Die Hintertür führte zu einem großen Garten, der zu allen Seiten von einem hohen Zaun umgeben war. Dahinter lagen Weiden. Ein schöner Ort, endlich konnte ich Fußball spielen.
    Eines Tages wurde an die Haustür getrommelt. »Nach oben!«, rief Vater.
    Wir rannten zu unserem Versteck zwischen der unteren und oberen Etage. Auf beiden Etagen gab es Zimmer, die mittels Schiebetüren und Einbauschränken voneinander getrennt waren. Das Versteck erreichte man, indem man den Boden des Schrankes im oberen Zimmer hochhob. Auf diese Weise konnte man auf die Decke des Schranks darunter gelangen. Über jeden Schrank passten drei, vier Personen. Über dem Türsturz der Schiebetüren war kaum Platz für eine einzige Person: mein Versteck.
    Ich hörte die schweren Stiefel im Flur und die Stimmen von Jos und den deutschen Soldaten, die jetzt immer lauter wurden. Plötzlich ergriff mich Todesangst, natürlich würden die Deutschen das laute Pochen meines Herzens und das laute Atmen der anderen hören. Sie klopften die Wände nach Hohlräumen ab.
    Endlich ließen die Geräusche nach, die Haustür ging auf und fiel dann wieder zu. Glück gehabt. Aber wir wussten nicht, ob uns jemand verraten hatte.
    Nicht lange danach kamen die Deutschen wieder, am helllichten Tag. Ich spielte im Keller und hatte das Hämmern an der Haustür nicht gehört. Ein paar Untertaucher rannten an mir vorbei nach draußen, um sich im Graben hinter dem Garten zu verstecken. Dorthin gelangte man durch eine Lücke im Zaun.
    Ehe ich richtig nachdenken konnte, war ich schon wieder allein. Da hörte ich Vaters Stimme oben an der Treppe: »Jaap, versteck dich! Wir sind oben im Versteck.«
    Keine Zeit mehr für eine Antwort. Ich musste etwas tun. Neben mir stand die Mülltonne aus Zink. Ich hob den Deckel hoch, stieg blitzschnell hinein und schloss den Deckel über meinem Kopf. Schritte näherten sich, machten vor dem Mülleimer halt, der Deckel wurde hochgehoben.
    Es ertönte kein deutscher Befehl, ich wurde nicht aus dem Mülleimer gezerrt. Jemand schüttete mir eine Ladung Schalen und andere Abfälle auf den Kopf und schloss den Deckel wieder.
    Ich rührte mich nicht, bis die Kellertür sich wieder öffnete und mein Vater rief: »Komm raus, die Luft ist rein!«
    Ich hob den Deckel hoch und kroch unter den Schalen hervor. Mein Vater schüttelte sich vor Lachen. Er befahl mir, mich nicht zu rühren, bis er meine Mutter geholt hatte. Zum Glück tröstete sie mich und machte mein Gesicht sauber. Das Tuch, das sie benutzte, wurde ganz rot von den Schalen der Roten Beete.
    An diesem Abend kam unser Mann aus dem Widerstand unerwartet vorbei. Er trug einen großen Sack. Er war beim Bauern gewesen und hatte Laken und Decken gegen Essen getauscht. Als er den Sack öffnete, kam ein gigantischer Schinken zum Vorschein, Brote und mindestens hundert Eier. Im Haus kam sofort Feststimmung auf. Schon bald roch es wunderbar: Auf unserem Notöfchen brutzelten die Spiegeleier. Ich konnte es kaum erwarten. So etwas Leckeres!
    Nicht lange danach kam alles wieder raus, weil mein Magen das Fett nicht mehr vertragen konnte.
    In der Zeit danach hatte ich viel Hunger und Ärger mit einem Furunkel am Arm. Der Mann vom Widerstand kam nicht mehr. Für mich war der Krieg jetzt am schlimmsten. Der Holzvorrat schwand. Alles, was brannte, wurde in kleine dünne Hölzchen gehackt. Das Treppengeländer verheizten wir, und auch der Gartenzaun musste dran glauben. Nur ein Stück, nah am Haus, blieb stehen, damit man weiterhin ungesehen auf die Weide flüchten konnte.
    Eines Abends wurde wieder auf die Haustür getrommelt. Die Untertaucher rannten zu ihren Verstecken, schon bald lag ich an meinem Platz über den
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