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Versprechen eines Sommers

Versprechen eines Sommers

Titel: Versprechen eines Sommers
Autoren: Susan Wiggs
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„Frische Forelle zum Abendessen. Oder vielleicht sollten wir sie ausstopfen und aufhängen.“
    Drei konzentrische Kreise umrandeten die Augen der Forelle. Der Fisch war seltsam schön und machte seinem Namen alle Ehre: Regenbogenforelle. Auf seinem langen, schlanken Körper schimmerten im Sonnenlicht alle Farben des Spektrums.
    Innerhalb von wenigen Augenblicken fing der Fisch an zu sterben. Er ertrank in Luft, seine Kiemen öffneten sich in purer Verzweiflung, wie Daisy fand. Sie konnte die zarte Struktur der Kiemen sehen, eine Reihe hellroter Blättchen, die krampfhaft versuchten, Wasser zu finden, um atmen zu können.
    Das Maul des Fisches öffnete sich in einer stummen Bitte: Oh. Oh. Oh.
    „Wirf sie wieder rein“, sagte Daisy mit plötzlicher Dringlichkeit.
    „Was? Auf keinen Fall. Ich habe den ganzen Sommer über versucht, einen Fisch zu fangen.“
    „Und das ist dir jetzt gelungen. Aber du solltest ihn wieder reinwerfen, bevor er stirbt.“
    Max sah seinen Vater an. „Was soll ich tun, Dad?“
    „Das liegt ganz bei dir, Buddy.“
    Nein, das lag es nicht. Gott, sie wünschte sich, ihr Vater würde nur einmal eine Entscheidung treffen. Stattdessen versteckte er sich hinter seinem üblichen „Das liegt ganz bei dir“.
    Mit zusammengebissenen Zähnen nahm Daisy den Fisch auf. Er wand sich so in ihrer Hand, dass es beinahe unmöglich war, ihn zu halten. Sie versuchte, den Haken so vorsichtig wie möglich zu entfernen und zuckte, als er sich endlich löste.
    „Sag deinem Fisch Auf Wiedersehen, Max“, sagte sie.
    Er protestierte nicht. Er strich dem Fisch mit einem Zeigefinger noch einmal zärtlich über den Kopf und sagte: „Ist gut. Lass ihn wieder frei.“
    Daisy beugte sich über den Rand des Kanus und ließ den Fisch ins Wasser gleiten. Zu ihrem Entsetzen schwamm die Forelle nicht davon, sondern blieb immer noch mit dem Maul schnappend schief im Wasser liegen. „Es ist zu spät“, sagte sie. „Wir haben ihn umgebracht.“
    Sie fragte sich, warum sich sein Tod so tragisch anfühlte. Es war doch nur ein dummer Fisch.
    „Mist“, sagte Max. „Wir haben ihn tatsächlich umgebracht.“
    Ihr Dad sagte nichts, sondern beugte sich vor und nahm den Fisch sanft zwischen seine Hände. Er hob ihn nicht aus dem Wasser, sondern schob ihn in langen Zügen mit der Nase voran durchs Wasser und ließ ihn dann los. Der Schwanz fing an zu schlagen und trieb die Forelle langsam vorwärts. Dann schoss der Fisch mit einem Mal davon.
    Daisy wurde von Gefühlen überwältigt. Max starrte seinen Vater mit offenem Mund an.
    „Wenn sie längere Zeit an der Luft waren, muss man dafür sorgen, dass das Wasser ordentlich durch ihre Kiemen strömt, damit sie sich erholen“, sagte er.
    „Cool. Du hast ihn gerettet.“ Max strahlte.
    „Nein. Das war Daisy.“ Greg wischte sich die nassen Hände an seinen Shorts ab.
    Daisy war mit einem Mal sehr erleichtert. „Tut mir leid, Max“, sagte sie. „Ich dachte nur, wir sollten ihn wieder freilassen.“ Sie konnte dieses Gefühl nicht erklären, zumindest nicht, ohne in den Schmerz einzutauchen, den sie wegen der bevorstehenden Scheidung durchlebt hatte. Einen Schmerz, der außerhalb ihrer Kontrolle lag.
    „Das macht nichts“, sagte Max liebenswürdig. „Ich hätte ihn eh nicht essen wollen. Außerdem haben wir ein Foto, das reicht als Beweis.“
    „Ihr seid zwei wirklich erstaunliche Kinder“, sagte ihr Dad. „Gute Arbeit mit dem Fisch.“
    Daisy lachte. „Wir haben den ganzen Sommer dafür gebraucht.“
    „Wir hatten ja auch keine Eile.“
    Greg nahm sein Paddel in die Hand. „Bereit, Schluss zu machen?“
    „Ja“, sagte Max. „Ich sterbe vor Hunger auf ein Erdnussbutter-Fleischwurst-Sandwich.“
    Sie paddelten gemeinsam zurück. Inzwischen hatten sie einen guten gemeinsamen Rhythmus aus sicheren, starken Schlägen. „Wir sind vielleicht nicht sonderlich gut im Angeln“, sagte ihr Dad. „Aber im Kanufahren macht uns so schnell niemand was vor.“
    Dann stimmte Greg, der sich gut Liedtexte merken konnte, jedes Fischlied an, das ihm einfiel. Max und Daisy stimmten mit ein; sie mussten nicht mehr leise sein, denn jetzt war es egal, wie viele Fische sie vertrieben. Ihre Stimmen hallten über das spiegelglatt daliegende Wasser und stiegen in die Luft hinauf, und in dem Moment fühlte Daisy sich so fröhlich und hoffnungsvoll wie seit vielen Monaten nicht mehr.
    Das war natürlich ein wenig dumm, weil sich nichts verändert hatte, außer dass Max einen Fisch gefangen
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