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Versprechen der Nacht

Versprechen der Nacht

Titel: Versprechen der Nacht
Autoren: Lara Adrian
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Würde mich nicht bedrohen oder versuchen, mit den Entführern um sein Leben zu feilschen.
    Er war edel und stolz, und ich hatte mich noch nie in meinem Leben so lebendig gefühlt.
    »Was zum Teufel machst du da?« Eigentlich hätte ich
mich
das fragen sollen. Ich hatte nur noch den Bruchteil einer Sekunde, um über mein weiteres Vorgehen zu entscheiden – eine Entscheidung, die hier und jetzt meine ganze Zukunft beeinflussen würde.
    Würde ich meine sonderbare Fracht ihren Entführern aushändigen, meine Bezahlung einstecken und zum nächsten und übernächsten Auftrag weiterfahren wie bisher? Oder würde ich meine ganze Existenz aufs Spiel setzen, nur um einem verrückten Gestaltwandler zu helfen, einem Tod zu entkommen, den er weder fürchtete noch irgendjemandem übel nahm?
    Ich fluchte leise und rannte zur Kiste mit meinen persönlichen Sachen hinten im Laster, um ihm etwas zum Anziehen zu holen. Die Wolltunika, die ich fand, hatte schon Mottenlöcher, und die uralte blaue Jeans hatte zuletzt ein Toter getragen, aber beide waren groß genug für ihn. Wer immer er war.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich ihn, während ich hastig die Sachen aus der Kiste zerrte. Draußen vor der Lagerhalle konnte ich hören, wie die Männer meines Kunden sich der Tür näherten. Ich warf dem Sonderbaren hinter mir einen wütenden Blick zu. »Deinen Namen, verdammt!«
    »Ich bin Drakor«, antwortete er und machte ebenfalls ein finsteres Gesicht.
    Ich warf ihm das Oberteil und die Hose zu. »Anziehen, Drakor. Wir hauen ab.«
    Seine goldenen Augen blickten grimmig. »Du weißt nicht, was du tust, Nisha.«
    »Kann man wohl sagen.« Ich stieß meine Pistole wieder in das Holster, als er sich die Sachen überzog. »Los, wir müssen uns ranhalten, wenn wir diesen Typen davonfahren wollen.«
    »Nisha.« Er kam zu mir herüber. Er war gekleidet wie ein Obdachloser, doch sein gut aussehendes Gesicht war von heiterer Gelassenheit erfüllt. Als ich so zu ihm aufstarrte, war ich versucht, es königlich zu nennen. »Das ist ein Fehler, der dich teuer zu stehen kommen wird.«
    Ich schüttelte den Kopf und hoffte, meine eigenen Bedenken zu zerstreuen, so gering sie auch waren. »Wir müssen jetzt los. Komm schon, Drakor. Mir nach, und keine Diskussionen.«
    Er knurrte etwas Finsteres in einer Sprache, die ich nicht verstand, aber als ich von der Ladefläche des Lasters sprang, war er direkt neben mir. Ich schlug die Türen zu und schob den Riegel vor. Dann winkte ich ihn nach vorn und rannte selbst um den Laster herum zur Fahrerseite. Ich sprang hinters Steuer, er auf den Beifahrersitz.
    »Festhalten«, sagte ich und verfolgte im Rückspiegel, wie die Männer meines Kunden soeben hinter uns das Tor der Lagerhalle öffneten. Ich warf den Rückwärtsgang ein. In den Gesichtern der beiden Männer stand zuerst Überraschung und dann die nackte Angst geschrieben, als ihnen klar wurde, was gleich geschehen würde. Ich sah zu Drakor hinüber, der stumm neben mir saß und beobachtete, was passierte. Wahrscheinlich dachte er, ich hätte den Verstand verloren. Das glaubte ich weiß Gott selbst. »Okay, festhalten.«
    Ich gab Vollgas, und der Laster schoss rückwärts aus der Halle, sodass die Männer meines Kunden hastig in Deckung hechteten. Ich erreichte die Straße, warf den Vorwärtsgang ein und fuhr uns in die kalte, dunkle Nacht hinaus.

4
    Wir waren sechs Stunden nördlich von Port Phoenix, bevor ich wagte, den Fuß auch nur ein wenig vom Gas zu nehmen.
    Die trüben Scheinwerfer meines Lasters schnitten in die Dunkelheit vor uns, und ich blickte zum Seitenfenster hinaus und versuchte, einen Anhaltspunkt dafür zu finden, wo wir waren. Von allen Seiten umschloss uns unendliche Nacht. Da waren nur die Sterne über unseren Köpfen, und um uns herum nahm riesiges wildes Waldland den kaputten Asphalt des selten befahrenen Highways wieder in Besitz.
    Uns folgte auch niemand, was momentan das größte Glück war, das wir erhoffen konnten. Ich rechnete nicht damit, dass es von Dauer war. Heute Nacht hatte ich mich zu einer riesigen Zielscheibe gemacht, und ich hatte lange genug mit mächtigen, gefährlichen Kunden zu tun gehabt, um zu wissen, dass eine Wahnsinnsaktion wie diese nicht ohne Folgen bleiben würde.
    »Du siehst müde aus«, sagte Drakor neben mir.
    Er hatte während der Fahrt die meiste Zeit geschwiegen. In Gedanken versunken, so hatte ich gedacht, weil ich ihn, seit wir unterwegs waren, immer wieder dabei ertappt hatte, wie er in die
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