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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen
Autoren: dtv
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»Womit willst du beginnen, mit dem Welschriesling? Du kennst meine
     Weine zwar, aber die neuen sind anders. Bei den Weißen habe ich jetzt die neuen Jahrgänge hier. Die Roten sind ausgereifter,
     der St. Laurent und der Blaufränkische sind neu, die habe ich zwar letztes Frühjahr abgefüllt, aber die brauchten noch Zeit
     auf der Flasche. Noch ein Jahr, und sie sind besser, in drei Jahren sind sie richtig klass.«
    Klass? Ein derartiges Urteil hätte Carl niemals abgeben können. Nicht dass es ihm an Mut mangelte, seine Meinung zu sagen,
     aber ihm fehlte die Erfahrung, Wein war nicht sein Metier, er war hier zum Lernen. Außerdem mochte er die Winzer, ihre Art
     war ihm angenehm – es waren Bauern und Künstler, Handwerker und Visionäre, sie waren grob und hatten ein feines Gespür, sie
     verfügten über Weitblick, wenn er daran dachte, was Maria gerade über den Blaufränkischen gesagt hatte, und sie waren präsent,
     anwesend, genau hier, in |19| diesem Moment. Und solche, die der Erfolg arrogant und reich gemacht hatte, waren ihm bislang nicht begegnet. Unangenehm waren
     eher jene Besucher, die alle wichtigen Winzer kannten, jedes Weinbaugebiet bereist hatten und mit Fachbegriffen um sich warfen.
     Angeber gab es auch in seinen Kreisen, nur dass Übersetzer eher stille Leute waren, Eigenbrötler, die ihre Arbeit im Verborgenen
     taten, Kellerasseln und Grottenolme, die aber trotz dem auch ganz gerne mal ins Licht traten, wenn er an sich selbst dachte   ...
    Maria Sandhofer stand allein hinter ihrem umlagerten Tisch. Sie schenkte ein, beantwortete Fragen, stellte richtig, setzte
     sich auseinander, erklärte, und das alles mit einer Selbstverständlichkeit, die Carl bei dieser jungen Frau erstaunte. Sie
     vertröstete ihn auf den nächsten Tag.
    »Du kommst am Nachmittag zu uns, ich nehme mir Zeit, wir fahren durch die Weinberge, ich zeige dir   ... Ja bitte schön? Den Sauvignon blanc möchtn ’S probieren?«
    Wieder unterbrach jemand ihr Gespräch, und sie griff nach dem Sauvignon, suchte den Korkenzieher, Carl fand ihn unter einer
     Preisliste, nahm ihr die Flasche ab und öffnete sie. Dann trat er ungefragt hinter den Tisch und räumte leere Flaschen in
     Kartons, ordnete die Prospekte, besorgte neue Gläser und erhielt dafür ein sehr dankbares Lächeln.
    »Mein Vater wollte eigentlich mitkommen. Er kennt alle Einkäufer und Weinhändler, alle kennen ihn, aber er fühlt sich heute
     nicht wohl, das Herz, verstehst du?« Hinter dem Präsentierlächeln tauchte ein sorgenvolles Gesicht auf. »Er sollte überhaupt
     nicht mehr arbeiten   ... « Für einen Moment irrten Marias Augen fahrig durch den Saal, sie reckte den Kopf, als suche sie jemanden, dessen Begegnung
     sie allerdings fürchtete. Etwas schien ihr Angst zu machen. Carl folgte ihrem Blick, aber in der Menschenmasse um ihn herum
     war nicht ein bekanntes Gesicht. Und um sie zu fragen, was ihr Angst machte, kannten sie sich zu kurz. Aber er konnte hier
     bleiben, bei ihr.
    |20| Die Runde durch den Saal war vergessen, Carl half ihr, schüttete den Restweinkübel aus, entkorkte den nächsten Weißwein, trieb
     irgendwo neues Eis auf, kannte nach zehn Minuten alle Rebsorten des Weingutes Sandhofer und schenkte ein. Maria und er arbeiteten
     Hand in Hand, als hätten sie es ein Leben lang getan. Und er lernte schnell. Auf dem Weingut bewirtschafteten sie 21   Hektar, bauten vier Weißweintrauben an, bei den Roten waren es sechs, auch Pinot Noir, zu Deutsch Blauburgunder, eine schwierige
     Rebsorte, aber die Weine gehörten zu denen, die Carl am liebsten trank. Er las vor, was er auf den Informationsblättern zu
     den einzelnen Weinen fand, und kaum jemand bemerkte, dass er nicht vom Fach war. Bei komplizierten Fragen oder Bestellungen
     verwies Carl auf Maria: »Fragen Sie die Chefin   ... «, was sie mit einem verlegenen Grinsen quittierte. Der Fremde, mit dem er über den »Blender« gesprochen hatte, blieb
     verschwunden.
    Die Zeit verging schnell, Carl hatte vergessen, weshalb er hergekommen war, seine neue Aufgabe hielt ihn gefangen. Andere
     Winzer kamen vorbei, Maria stellte ihn überall vor als »einen Freund aus Deutschland«. Interessierter zeigten sich ihre Freundinnen,
     die rings um den Neusiedler See Weingüter betrieben und sich zur Gruppe Sieben zusammengeschlossen hatten.
    »Du lernst sie sowieso alle noch kennen«, beruhigte ihn Maria, als Carl klagte, er habe sämtliche Namen bereits wieder vergessen.
     »Wie lange bleibt
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