Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
altmodische Wort traf es am besten. Und sie wirkte verletzlich.
    Sie hatte an jenem Abend erzählt und erklärt, er hatte ihr gebannt zugehört, zwar nicht sehr viel verstanden, aber sich jedes
     Wort gemerkt und ihr in die grün-braunen Augen geschaut. Er hatte gewollt, dass sie weiter redete, hätte dieser leisen und
     dabei entschiedenen Stimme noch Stunden zuhören können. Dabei hatte er sich vor dem gefürchtet, was unweigerlich kommen musste:
     der Abschied. Um Mitternacht waren ihr fast die Augen zugefallen, und er hatte sie zurück ins Hotel begleitet. Am nächsten
     Tag war der gesamte Tross österreichischer Winzer zur nächsten Präsentation nach Frankfurt gefahren. Beim Abschied hatte er
     ihr versprechen müssen, sie unbedingt am Neusiedler See zu besuchen.
    Auf leichten Sohlen war er in jener Nacht nach Hause gegangen, fröhlich und beschwingt, verwirrt, ein bisschen wie in Trance.
     Nur gut, dass Johanna auf Geschäftsreise war. So hatte er sich in einen Sessel fallen lassen und die Wände angestarrt und
     im Geist Marias Stimme gehört. Was sollte er davon halten, was denken? Dabei war er sich nicht einmal sicher, was er fühlte.
     Er war sozusagen völlig durch den Wind. Erst als er am nächsten Morgen aufwachte und Maria der erste Gedanke in seinem Kopf
     war, sie vor ihm stand, ob er die Augen nun geschlossen hielt oder aus dem Fenster starrte, war ihm klar, dass er sich verliebt
     hatte.
    Maria wiederzusehen war unmöglich. Keine Chance. Sie war unterwegs,
on the road again,
mit ihrem Winzer-Tross. Von Frankfurt sollte es nach Hamburg gehen. Einen Moment lang hatte er erwogen, ihr nachzufahren,
     aber auf dem Schreibtisch lag zu viel Arbeit   ...
    Das war Vergangenheit, seit damals war ein Dreivierteljahr vergangen, das Gefühl der Verliebtheit war glücklicherweise (oder
     leider?) verblasst, nur die Erinnerung daran war geblieben |15| , eine schöne Erinnerung wie an einen Sommertag, an dem man morgens bei strahlendem Licht zu einem Ausflug aufbricht. Dann
     und wann hatten Maria und er einen Gruß ausgetauscht, mehr vorsichtig als enthusiastisch, via Telefon und Brief, sie per E-Mail . Aber jetzt war er hier, mit ziemlich viel Herzklopfen. Kaum hatte er sie gesehen, war das Gefühl wieder aufgeflammt. Er
     ging einige Schritte in die Richtung, wo er ihren Tisch hinter einer Wand aus Menschen mit Weingläsern in den Händen vermutete,
     und zögerte – sie wird beschäftigt sein, fürchtete er, und für mich heute genauso wenig Zeit haben wie in Stuttgart.
    Da fiel der Blick auf das Glas in seiner Hand, er hielt es so schräg, dass er beinahe etwas verschüttete, obwohl nicht mehr
     viel drin war. Mit gesenktem Kopf kam er zum Stehtisch zurück. »Wenn dieser Chardonnay ein Blender ist, sind dann die anderen
     Weine dieses Winzers nicht genauso   ...?«
    Aber die Antwort blieb aus, der Fremde war gegangen. Carl sah sich um – sein Gesprächspartner war wie vom Erdboden verschluckt.
     Dabei hätte er den Mann sehen müssen, er war nicht klein gewesen, aber weder tauchte der ungekämmt wirkende Schopf auf, noch
     sah er das Gesicht mit der runden Brille. Meine Güte, wie unhöflich von mir, fuhr es Carl durch den Kopf. Er hatte ihn einfach
     stehen lassen, sie hatten sich nicht einmal vorgestellt. Er wusste gar nicht, in welcher Eigenschaft der andere hier gewesen
     war – aber vielleicht traf er ihn wieder? Der Typ war interessant gewesen, besonders das, was er über Aromen und Reinzuchthefe
     gesagt hatte. Im Gegensatz zu ihm selbst verstand er was davon.
    Vielleicht war der Fremde zu dem Tisch zurückgegangen, wo man ihnen den Blender eingeschenkt hatte? Wo war das gewesen? In
     dem Gewusel, wo man sich nach allen Seiten entschuldigend durchdrängeln musste, hatte er jegliche Orientierung verloren.
    Das Licht, die vielen Menschen, ihre Stimmen, der Saal mit dieser traumhaften Akustik – eine der weltbesten für |16| Kammermusik wie Orchester – das Klirren der Gläser, Rufe, das Lachen – und irgendwo dazwischen Maria – verwirrt hielt Carl
     sich an der Tischplatte fest. Wie konnte jemand so schnell verschwinden? War der Fremde beleidigt, weil Carl sich weggedreht
     hatte? Wieso störte es ihn, dass der Mann gegangen war? Bei Verkostungen waren kurze, beiläufige Begegnungen an der Tagesordnung.
     Man wechselte ein paar Worte, tauschte sich über diesen oder jenen Wein aus, bemerkte etwas zu dem einen oder anderen Winzer,
     tastete sich dabei diskret mit Fachbegriffen ab, um einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher