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Fuego, Andréa de

Fuego, Andréa de

Titel: Fuego, Andréa de
Autoren: Geschwister des Wassers
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2. Kapitel
    SIE WAREN ALLE ins Haus zurückgekehrt, die Nacht war stürmisch, der Wind rüttelte an den Fenstern. Die Dachziegel klapperten, jeden Augenblick konnte der Sturm im Haus losbrechen. Die Eltern schliefen in dem einen Zimmer. Nico, Júlia und Antônio in dem anderen, alle in einem Bett, wie Embryos aneinandergeschmiegt.
    Ein Kater streckte die Beine, die Wände strafften sich. Der Luftdruck presste die Körper gegen die Matratze, das Haus flammte auf und verlosch, eine Glühlampe mitten im Tal. Der Donner schallte lang, ehe er die gegenüberliegende Gebirgswand erreichte. Im Haus empfing die negativ geladene Erde den positiven Blitz aus einer aufgetürmten Wolke. Die unsichtbaren Ladungen trafen im Haus der Malaquias aufeinander.
    Das Herz der Eltern befand sich in der systolischen Phase, die Aorta zog sich gerade zusammen. Die Hauptschlagader war kontrahiert, die elektrische Ladung konnte nicht durchfließen und sich erden. Als der Blitz sie traf, atmeten Vater und Mutter gerade ein, der Herzmuskel erlitt einen Schlag, der nicht abgeleitet werden konnte. Das Blut erhitzte sich auf Sonnentemperatur und verbrannte ihr ganzes Gefäßsystem. Ein innerer Brand, der Donanas und Adolfos Herz, dieses selbständig galoppierende Pferd, sein Rennen beenden ließ.
    Das Herz der Kinder, aller drei, befand sich in der diastolischen Phase, die Schnellstraße des Blutes war frei. Das geweitete Gefäß behinderte nicht den Stromfluss, und der Blitz schoss durch den Aortenbogen, ohne das Organ zu schädigen. Die drei erlitten nur kleine, fast unmerkliche Verbrennungen.
    Nico wachte auf und rührte sich nicht, wartete angespannt auf den Tag. Der Regen verhinderte nicht, dass es hell wurde, der Hahn blieb stumm. Licht drang durch die zerstörten Dachziegel im Schlafzimmer der Eltern, das Ehepaar lag starr auf dem Bett, doch niemand wäre auf die Idee gekommen, dass ein Feuerfunke sie innerlich verbrannt hatte. Die Matratze und die Ränder der Dachziegel waren verkohlt. Nico ging ins Schlafzimmer und erkannte den Zusammenprall von Energie und Fleisch. Antônio schlug die Augen auf, er stand unter Schock. Júlia war alarmiert, verharrte jedoch still, hob nicht das Augenlid. Nico hielt sie für tot. Er nahm Antônio bei der Hand, sie durchquerten das Wohnzimmer und folgten dem Pfad, der zum Tor führte. Dort setzten sie sich unter einen Busch.
    Antônio zupfte Nico am Ärmel, ihn quälte der Hunger. Nico ging zurück ins Haus, der griffbereiteste Proviant war ein Stück Rapadura, gepresster Rohrzucker, das er in die nasse Hosentasche steckte. Er vernahm ein Geräusch im Schlafzimmer, es war die verschreckte Júlia. Sie kam aus dem Bett gekrochen, Nico lief auf sie zu und nahm sie auf den Arm. Ihre langen Beine schlackerten gegen seine Knie.
    Antônio knabberte an der Rapadura, die beiden anderen trösteten sich gegenseitig. Kühe tauchten am Ende der Straße auf, dahinter ein Jugendlicher mit einem Stock in der Hand. Eiskaltes Wasser tropfte von seinem Hut, es hatte aufgehört zu regnen. Die Geschwister zitterten, blaue Lippen, kalte Füße.
    »Nico!«
    Timóteo arbeitete für Geraldo Passos, den Besitzer der Fazenda Rio Claro. Timóteo betrat das Haus der Malaquias und rannte sofort wieder hinaus. Er sagte nichts, hob die drei auf das ungezäumte Pferd, das die Herde begleitete, und setzte seinen Weg fort. Als Geraldo die drei Kinder sah, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, befahl er der alten Haushälterin, Kaffee zu bringen.
    »Timóteo, morgen bringst du die beiden Kleinen in die Stadt, ins Waisenhaus der französischen Nonnen. Der Große bleibt bei mir.«
    Sie schliefen zu dritt auf dem Teppich neben Timóteos Bett, eingerollt zu einer Spirale. Bevor sie das Schlafzimmer verließen, steckte Nico der Schwester den Rest Rapadura in die Tasche.
    »Weine nicht, ich komme euch holen.«
    Die Kleine trocknete sich mit dem Rocksaum die Tränen, und die Rapadura fiel heraus. Antônio hob sie auf und steckte sie, mit der Schwester schimpfend, in seine Hosentasche. Timóteo brachte Antônio und Júlia auf dem Pferd weg. Sechs Stunden Weg in die Kleinstadt.
    »Wo sind sie her?«, wollte Schwester Marie wissen.
    »Ihre Eltern wurden versengt, der Blitz hat in ihr Haus eingeschlagen. Der Älteste ist auf der Fazenda geblieben, Seu Geraldo hat sich den Jungen geschnappt.«
    Marie brachte die beiden in einen Hof, dort sollten sie warten, bis in einem der Zimmer ein Bett bereitet wäre.

3. Kapitel
    » LASS MICH MAL deinen Hals
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