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Verschollen

Titel: Verschollen
Autoren: Åke Smedberg
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wohl nicht mehr, oder? Das ist doch schon eine Ewigkeit her.«
    Olle Ivarsson rümpfte die Nase.
    »Vielleicht noch nicht lang genug«, sagte er und schüttelte den Kopf. Er setzte sich gerade hin.
    »Was wollen Sie eigentlich noch herausbekommen? Sie kennen doch den Fall so gut wie auswendig, haben Sie gesagt.«
    »In Grundzügen, ja. Was man sich anlesen konnte. Aber das wird kaum mit Ihrem Wissen konkurrieren können. Sie haben schließlich dreißig Jahre hier zugebracht.«
    Olle Ivarsson hatte sich mit einem empörten Gesichtsausdruck nach vorne gebeugt.
    »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich hier mein ganzes Leben auf meinem Hintern gesessen habe! Ich kam 1969 hierher und blieb bis 1974. Dann fand ich, dass es Zeit war, etwas zu verändern. Zuerst war ich bei der UNO auf Zypern, dann in der Gegend von Stockholm, Märsta, und in Arlanda bei der Passkontrolle. Ja, ich habe sogar die Branche für eine Zeit ganz verlassen, habe als Sicherheitsberater gearbeitet. Ich bin erst Anfang der Neunziger hierher zurückgekehrt. Warum, das ist allerdings eine gute Frage.«
    Er hielt inne, breitete die Arme aus und starrte vor sich hin.
    »Obwohl Sie ja zum Teil Recht haben«, fuhr er nach einer Weile fort. »Dass ich mehr weiß. Wenn man sich in so eine Höhle wie diese hier begibt, kann man das fast nicht verhindern. Man erfährt doch das meiste.«
    Er schien seinen plötzlichen Ausbruch schon wieder vergessen zu haben. Und Nielsen, der ihn verblüfft ansah, wurde Zeuge einer weiteren Verwandlung. Wie er Luft holte, sich aufrecht hinsetzte, seine Ellenbogen auf die Tischplatte setzte, die Handflächen aneinander legte und blinzelte. Als er wieder zu sprechen begann, war seine Stimme trocken, sachlich, wie die eines Beamten, der einen von langer Hand vorbereiteten Vortrag hielt.
    »Wir haben keinerlei Hinweise gefunden, die auf einen bestimmten Täter hingewiesen hätten. Ja, genau genommen haben wir keine einzige Spur gefunden, die in irgendeine Richtung gezeigt hat. Oder die belegt hätte, dass es sich unzweifelhaft um ein Verbrechen handelte. Gleichwohl das natürlich das Naheliegendste war. Dennoch haben wir einige hundert Personen verhört oder befragt, was für die Größe des Ortes eine erhebliche Anzahl ist. Wie viele Hinweise hier eingingen, kann ich nicht genau beziffern, aber es waren ungeheuerlich viele. Ein Teil fiel wegen Ungereimtheiten weg, oder es waren Verrückte und Verwirrte, die anriefen oder schrieben. Aber die meisten Hinweise wurden bearbeitet und verfolgt, so weit das möglich war. Zum Schluss hatten wir ein ziemlich genaues Bild davon, was Anna-Greta Sjödin an jenem Abend und in jener Nacht gemacht hatte, bevor sie verschwand. Und was ein Großteil der übrigen Bevölkerung so getrieben hat! Aber im Prinzip ergab sich daraus kein Anhaltspunkt, was mit ihr passiert sein könnte. Was geschah, nachdem sie aus dem Wagen ausgestiegen ist.
    Schon bald nach der Vermisstenanzeige sind wir von der Annahme ausgegangen, dass sie gegen ihren Willen von einer oder mehreren unbekannten Personen entführt wurde - oder auf irgendeine Weise gelockt wurde mitzukommen. Und dann aller Wahrscheinlichkeit nach umgebracht wurde. Da aber keine Leiche gefunden wurde, gab es ja weiterhin die Möglichkeit, dass sie sich freiwillig auf den Weg gemacht hatte, sich versteckte. Durchgebrannt, ganz einfach, aus irgendeinem Grund. Auch wenn diese Alternative mit der Zeit immer unwahrscheinlicher wurde. Und Selbstmord - ja, das haben wir natürlich auch in Betracht gezogen. In diesem Alter ist das noch nicht einmal ungewöhnlich, am Scheideweg zum Erwachsenenalter. Aber dann hätten wir ihre Leiche logischerweise bald darauf finden müssen.«
    Er machte eine kurze Pause und rieb sich die Nase, ehe er fortfuhr.
    »Und so standen wir dann da, zum Schluss. Wir konnten mit ziemlich großer Sicherheit sagen, dass es sich um ein Verbrechen handelte. Und wir wussten verdammt viel über viele Dinge. Die sich alle als belanglos herausstellten. Zumindest gelang es uns nicht, sie zu einem schlüssigen Bild zusammenzufügen. Und wie gesagt, was ihr zugestoßen war, wussten wir genauso wenig wie zu Beginn der Untersuchungen.«
    Er schwieg, rieb die Handflächen aneinander, betrachtete sie lange und nachdenklich, als würde er dort nach einer Erklärung suchen.
    »Wir haben eine ganze Anzahl Verhöre geführt, einige ausführlicher als andere, aus unterschiedlichen Gründen. Natürlich wussten wir, dass dieser Fall Anlass für Spekulationen
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