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Verschollen

Titel: Verschollen
Autoren: Åke Smedberg
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Weg zur Tür, während er auf seine Uhr sah.
    »Wir gehen eben mal rüber, dann haben wir das erledigt. Wir sagen einfach, dass jetzt schon Mittag ist.«
    Er blieb im Türrahmen stehen, drehte sich um und sah ihn ungeduldig an. »Sehen Sie zu, dass Sie in Bewegung kommen! Bevor ich es bereue.«
    John Nielsen erhob sich langsam und schüttelte wieder den Kopf.
    »Ich frage mich, wie es wohl ist, von Ihnen verhört zu werden«, sagte er schließlich.
    Das Gesicht des Älteren verzog sich zu einem begeisterten Lächeln.
    »Das kann ich Ihnen verraten: Es ist die Hölle!«
    Dass Olle Ivarsson allein lebte, überraschte ihn nicht sonderlich. In gewisser Weise hatte er es sogar stillschweigend angenommen, ohne weiter darüber nachgedacht zu haben. Er sank in die Couch im Wohnzimmer des Bungalows und sah sich um. In den Ecken lagen Wollmäuse, in der Spüle draußen in der Küche sah er schemenhaft einen Stapel Geschirr, der noch nicht in die Spülmaschine geräumt worden war. Ivarssons Manie schien auf jeden Fall das Staubsaugen und den Abwasch auszuschließen, dachte er mit großer Erleichterung. Deutlich war aber, dass ihm Ordnung sehr wichtig war. Dass die Gegenstände um ihn herum nach einem strikten, regelmäßigen System angeordnet waren. Welches System dies auch immer sein mochte.
    Ivarsson starrte ihn eine Weile nachdenklich an.
    »Ich habe einiges von Ihnen gelesen«, sagte er. »Die letzten Artikel. Und anderes. Es geht meistens um Verbrechen, wie? Und Elend. Verschiedenster Art.«
    John Nielsen starrte zurück. Dann zuckte er mit den Achseln. »Das gefällt Ihnen also nicht?«
    Der andere machte eine abwehrende Geste.
    »Doch, sicher. Sie schreiben sehr gut. Das liest sich unglaublich packend und ist interessant. Vielleicht ein bisschen zu interessant. In Wirklichkeit ist es das ja wohl kaum, oder? Ein Haufen Dummheit und Schnaps, das sind doch die häufigsten Komponenten. Ich weiß nicht, welche überwiegt. Oder am Anfang steht.«
    »Wenn man die Dinge nur genau genug ansieht, wird fast alles interessant.«
    Olle Ivarsson schnaubte. »Aha, das sagen Sie! Ich bin der Meinung, es solle genau andersherum sein...« Er schwieg, betrachtete den anderen aus den Augenwinkeln.
    »Anna-Greta Sjödin... Warum wollen Sie über sie schreiben? Es muss doch hunderte von Fällen geben, die mehr zu bieten haben. Mit diesem hier werden Sie nicht weit kommen, das können Sie nicht ernsthaft glauben!«
    John Nielsen schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich auch nicht.«
    »Warum schreiben Sie dann darüber?«
    John Nielsen schwieg eine Weile.
    »Erinnern Sie sich an das Foto von ihr, das damals veröffentlicht wurde?«, fragte er unvermittelt. »Gleich nach ihrem Verschwinden? Es war kein altes Klassen- oder Passfoto oder was man sonst dafür nimmt. Das hatte ein geübter Fotograf gemacht. Ein Ganzkörperfoto, im Freien aufgenommen. Sie schaute über ihre Schulter in die Kamera.«
    Olle Ivarsson nickte.
    »Das hat vermutlich Karl-Erik selbst gemacht. Er war ein guter Amateurfotograf.«
    »Wie dem auch sei, es war ein besonderes Bild. Eher ein Kunstfoto. Eine Haarlocke fiel ihr ins Gesicht, sie lachte ein bisschen. Und man konnte förmlich sehen, dass sie sich bewegte. Wie alt mag ich gewesen sein... Ja, ich wurde kurz darauf dreizehn. Soweit ich mich erinnere, fand ich, dass sie Brigitte Bardot ähnelte. Und ich begann, alles über sie zu sammeln. So wie andere alles über Filmstars sammelten. Ich habe alles gelesen, was über ihren Fall geschrieben wurde - und über sie. Ich habe Artikel und Fotos ausgeschnitten. Habe auch angefangen, mir eigene Notizen zu machen, in denen ich mir versuchte vorzustellen, was wohl geschehen war. Das war das Erste, was ich je geschrieben habe, glaube ich. Und in meinen Versionen hat sie immer überlebt.«
    Er hielt inne.
    »Es war fast so, als würden wir zusammen aufwachsen«, fuhr er fort. »Und ich habe mir immer Gedanken über sie gemacht. Nicht nur darüber, was geschehen war. Sondern auch über sie, wer sie war, wie ihr Leben ausgesehen hätte, wenn nichts passiert wäre, wenn sie hätte leben dürfen...«
    Er verstummte. Olle Ivarsson betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn.
    »Ach so«, brummte er schließlich. In seiner Stimme lag ein Hauch von Enttäuschung, als hätte er mehr erwartet. »Und deshalb wollen Sie wieder in dieser Geschichte wühlen? Um herauszubekommen, wer sie war?«
    Er zuckte mit den Achseln, richtete sich im Sessel auf.
    »Tja, dabei kann ich Ihnen nicht so richtig
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