Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit
Autoren: Kate Wilhelm
Vom Netzwerk:
während der Schulzeit Fußball gespielt und hatte eine übertriebene Neigung, davon zu erzählen. Warren hatte bereits seinen Jogginganzug an. Während er auf den Aufzug wartete, im Aufzug und nachdem er ihn verlassen hatte, machte er ununterbrochen Lockerungsübungen, um sich auf den Zweimeilenlauf nach Hause vorzubereiten. Warren war zuständig für Jugendprobleme – Drogenmißbrauch, Schulschwänzerei, Schwangerschaften, alles, was sich so ergab –, und es war ein großer Erfolg für ihn, wenn er seine jungen Patienten dazu brachte, schwimmen zu gehen oder einem Sportverein, egal welcher Art, beizutreten. Als er bei seiner ersten Begegnung mit Lauren erfuhr, daß diese keinerlei Sport betrieb, hielt er ihr einen ausführlichen Vortrag über vorzeitiges Altern, Arterienverkalkung, psychologische Probleme, die sich durch mangelnde Aktivität ergaben – aller Art, von Homosexualität bis zu manischen Depressionen –, und wandte sich von ihr ab, als sie es ablehnte, seinem Frauenrackettklub beizutreten.
    Warren hopste auf der Stelle auf und ab und schnaufte. »Vergessen Sie« – schnauf – »die Konferenz heute abend« – schnauf – »um sieben nicht« – schnauf – »Lauren.« Schnauf. »Irgendwas« – schnauf – »tut sich« – schnauf – »bei uns« – schnauf – »was Großes« – schnauf – »schätze ich.«
    Rich Steinmans Kopf bewegte sich auf und ab, während er ihm zusah; er nickte. Warren Foley und Lauren Steele erschreckten ihn. Große Leute, dachte er, zu groß. Großen Leuten konnte man nicht trauen, und Lauren Steele, davon war er überzeugt, war scharf auf seinen Job, und seine Frau haßte die Donnerstagabende, und diesen Donnerstag, da der Nebel draußen so dicht wie Watte war, würde er zu spät zum Abendessen kommen und gleich wieder weg müssen … Er nickte und bewegte den Kopf auf und ab und trat nervös von einem Bein aufs andere. Er hatte wieder mal einen Ausschlag und hätte sich gern gekratzt, aber nicht in der Öffentlichkeit, und schon gar nicht hier. Seine Frau hatte wohl wieder ein neues Waschpulver verwendet oder das Dienstmädchen angewiesen, eins zu benutzen, was auf dasselbe hinauslief. Niemand glaubte ihm, wenn er sagte, daß seine Haut empfindlich sei.
    Sie stiegen alle in den Aufzug.
    Lauren hatte die Konferenz ganz vergessen. Sie fand regelmäßig jeden Donnerstagabend statt, als ständige Einrichtung an der Klinik, die von Peter Waycross geleitet wurde. Ihm lag daran, den Kontakt zu seinen Mitarbeitern nicht zu verlieren, pflegte er oft mit seinem im richtigen Moment eingesetzten charmanten Lächeln zu sagen, wobei er die Hände ausstreckte, als ob er jedem in seiner Reichweite auf die Schulter klopfen wollte. Und Warren konnte es genausowenig lassen, sie an die Konferenz zu erinnern, wie er es lassen konnte, nach jedem Luftholen wieder auszuatmen. Wahrscheinlich erinnerte er seine Frau und seine Kinder daran, ihr Essen gut zu kauen und sich die Hände zu waschen.
    Der Aufzug kam im Erdgeschoß des Bürogebäudes an, und alle strömten als dichte Masse hinaus, die sich sogleich auflöste. Lauren befand sich unter denen, die sich in Richtung der Glastüren, die auf die Straße hinausgingen, bewegten. Andere schlugen die Richtung zum Parkplatz oder zur Tiefgarage ein oder begaben sich zu den anderen Ausgängen. An der Tür blieb sie stehen und wurde von einem Zittern geschüttelt.
    Der Nebel hatte die Straßen mit einem Leichentuch verhüllt; geisterhafte Scheinwerfer, oder vielmehr die Ahnung von Scheinwerfern, bewegten sich langsam und verschwanden. Menschen traten aus dem weißen Schatten hervor und verschmolzen wieder mit anderen weißen Schattenschwaden. Als sie in den Nebel hinaustrat, wurde ihr Zittern noch stärker. Ihr war, als ob sie von einem mit Eiswasser vollgesaugten Schwamm umgeben wäre. Sie hatte die Absicht gehabt, zu Fuß zu ihrem Apartment zu gehen, dort ein Sandwich und Kaffee zu sich zu nehmen und dann rechtzeitig zur Konferenz wieder zurück ins Büro zu gehen, doch nachdem sie einen halben Häuserblock entlang durch den eisigen Nebel gegangen waren, machte sie einen seitlichen Schwenk und betrat statt dessen Hilda’s Café. Sie haßte es, allein im Restaurant zu essen, da sie sich dabei noch unbehaglicher als normalerweise fühlte und glaubte, daß alle Augen auf sie gerichtet wären, doch an diesem Abend waren die Wärme und der Duft nach gutem Essen zu verlockend, so daß sie ihre Hemmungen fast vergessen hätte. Dankbar folgte sie einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher