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Verraten

Verraten

Titel: Verraten
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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sagte er.
    »Yo.«
    »Ich wollte mich nur nochmal bei dir bedanken«, sagte er und überreichte ihr einen Strauß Astern, den er angesichts des hastig darumgewickelten Zeitungspapiers entweder gerade auf dem Markt gekauft oder irgendwo geklaut haben musste.
    »Du brauchst dich nicht zu bedanken, ich war doch froh, dass jemand auf meine Wohnung aufgepasst hat. War noch irgendetwas?«
    »Nein, nichts Wichtiges«, antwortete er. »Ich bin auch nicht sehr oft hier gewesen. Aber es war ganz angenehm, hin und wieder in einem sauberen Bett zu schlafen.«
    Sie ging in die Küche, um die Astern kürzer zu schneiden und in eine Vase zu stellen. Reno inspizierte den Kühlschrank und nahm sich ein kaltes Dosenbier heraus, mit dem er sich auf die kleine Dachterrasse verzog.
    »Wo wohnst du denn zurzeit?«, rief sie von der Küche aus.
    »Bei Alex.«
    Sie holte eine Dose Tonicwater aus dem Kühlschrank und setzte sich neben ihn.
    »Alex?«
    Sie hatte Alex nie gemocht. Warum, konnte sie nicht sagen.
    »Alex ist schon in Ordnung«, sagte er. »Wie war’s denn so in Down Under? «
    »Normal. Das Übliche. Arbeitsam.« Sie hatte keine Lust, über Australien zu reden. »Und wie klappt es mit Stonehenge?«
    Er zuckte mit den Schultern und sagte: »Nächsten Monat spielen wir im 013. Wir wissen nur noch nicht genau, welche Stücke«, fügte er mit einem zynischen Unterton hinzu und trank einen Schluck von seinem Bier.
    »Was soll das denn heißen?«
    Er betrachtete nachdenklich die alte, efeubewachsene Stadtmauer, die die Sonnenstrahlen bis in die frühen Abendstunden von der Dachterrasse fernhielt.
    »Alex will aus Stonehenge so was Ähnliches wie Rammstein machen.«
    Sie runzelte die Stirn. Reno als Abklatsch des publikumsnahen, charismatischen Till Lindemann? Zwar besaß Reno eine starke Ausstrahlung, eine sehr starke sogar, aber keineswegs dieses Übermenschliche, fast Teuflische des Rammstein-Sängers. Das konnte man eher von Alex behaupten. Außerdem machte Reno eine andere Art von Musik.
    Das alles passte nicht zusammen.
    »Und was willst du?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie das noch weitergehen soll«, sagte er. »Mir ist das alles viel zu durchgeplant. Alex meint, wir müssten unsere Songs stärker straffen. Sie sind ihm zu ausufernd.«
    »Wenn er unbedingt eine andere Richtung einschlagen will, dann lass ihn doch seine eigene Band gründen.«
    Wieder zuckte Reno mit den Schultern. »Vielleicht tut er das sogar.«
    »Und was sagen Jos und Maikel dazu?«
    »Die richten sich ganz nach Alex. Du weißt doch, wie er sein kann.«
    Sie nickte. Versuchte, dem Gespräch eine positive Wendung zu verleihen. »Aber das ist doch ein sehr wichtiger Schritt für euch, im 013 aufzutreten, oder? Ist schließlich ein ziemlich großer Laden.«
    »Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich will«, erwiderte er leise. »Nach meinem Gefühl ist da einfach zu viel Publikum. Aber Alex war nicht zu bremsen, du kennst ihn ja. Na ja, wir werden sehen.«
    Mit unglücklicher Miene trank er noch einen Schluck von seinem Bier.
    Sie wusste, was ihm solche Sorgen bereitete. Reno legte Wert darauf, dass seine Musik schwer verständlich war, er betrachtete sie als eine Art nonkonformistischer Kunst. Sobald zu viele Leute seine Musik zu verstehen glaubten, wurde sie von der Kunst zum Massenprodukt. Dann mussten Termine eingehalten werden, tauchte ein Manager auf, und ehe man sich versah, war Stonehenge eine Art Fabrik, und Reno wäre gezwungen, sein Produkt termingerecht zu liefern. Dann würde er parfümierte Briefe von vierzehnjährigen Mädchen erhalten - und hätte seinen Status als unverstandener Künstler verloren. Doch im Grunde, so glaubte Susan, hatte er Angst vor Veränderungen. Er lebte von einem Tag zum anderen. Wobei es in seinem Fall auch nicht ratsam war, allzu weit vorauszudenken.
    »Ich würde es trotzdem machen, Reno. Egal, mit welchen Stücken. Die meisten Musiker würden sich um eine solche Chance reißen.«
    Er verzog mürrisch das Gesicht und entgegnete: »Ich bin nicht wie die meisten Musiker.«
    »Das weiß ich. Und das schätze ich auch an dir. Aber trotzdem. Ich finde die Idee gar nicht so schlecht.«
    Er sagte nichts.
    Eine Weile lang saßen sie beide in Gedanken versunken da. Das Jaulen eines Mopedmotors hallte von der hohen Stadtmauer wider und erstarb nach und nach.
    Er war ihr zu still. Sie schaute ihn von der Seite an. Sah den glasigen Blick in seinen Augen. Solche Momente der Abwesenheit, der Apathie fast kamen
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