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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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auf ein schnelles Abenteuer und sündiges Vergnügen aus war. Madeline, dachte er, bist du total verrückt geworden? Was machst du bloß hier?
    Er bog auf den Boulevard Bayes, dann auf die Rue Myrha ab und parkte vor der Hausnummer 66. Ungläubig starrte er das Gebäude an und zählte drei Stockwerke – drei Stockwerke, nicht sehr vertrauenserweckend, aus bröckelndem Beton mit altersschwachen Baikonen. Und in dieser Feuerfalle wollte sie sich mit ihm treffen? Er schloss den Mercedes ab und dachte: Ich kann mich glücklich schätzen, wenn das Auto nachher noch da ist. Widerwillig betrat er das Haus.
    Von innen sah das Gebäude bewohnt aus: Kinderspielzeug im Treppenhaus, Radiogedudel aus einer der Wohnungen. Er stieg die Treppe hoch. Der Geruch nach gebratenen Zwiebeln und Zigarettenrauch hing vermutlich ständig in der Luft. Die Wohnungen drei und vier befanden sich im ersten Stock. Er stieg durch das enge Treppenhaus weiter ins oberste Stockwerk. Nummer fünf war eine Mansardenwohnung; die niedrige Tür war im Dachvorsprung eingelassen.
    Er klopfte. Keine Antwort. »Madeline?« rief er. »Ist das ein Scherz?« Immer noch keine Antwort.
    Er versuchte, die Tür zu öffnen; sie war nicht abgeschlossen. Bernard schob sich in die Mansarde. Die Jalousien waren heruntergelassen. An der Wand stand ein großes Messingbett, dessen Laken noch zerwühlt waren. Auf einem Nachttisch standen zwei Gläser, eine leere Champagnerfiasche und mehrere Plastikgegenstände, die man vorsichtig als »Sexspielzeug« bezeichnen würde. Das Zimmer roch nach Alkohol, nach der Hitze der Leidenschaft und nach Lust.
    Bernards Blick wanderte zum Fußende des Messingbettes, neben dem ein hochhackiger Damenschuh auf dem Boden lag. Er runzelte die Stirn, ging einen Schritt näher und sah, dass der Schuh in einer purpurrot schimmernden Lache lag. Als er das Bett umrundet hatte, blieb er ungläubig stehen.
    Da lag seine Frau auf dem Boden, ihr ebenholzschwarzes Haar umgab sie wie schwarze Federn. Ihre Augen waren aufgerissen. Drei kleine Blutflecken beschmutzten ihre weiße Bluse.
    Er fiel neben ihr auf die Knie. »Nein«, sagte er. »
Nein.
«
    Er berührte ihr Gesicht, fühlte, dass ihre Wangen noch warm waren. Er presste sein Ohr auf ihre Brust, ihre blutbeschmierte Brust, und hörte keinen Herzschlag mehr, keinen Atem. Aus seinem Mund vernahm er ein Schluchzen, einen Laut ungläubiger Trauer. »
Madeline!
«
    Plötzlich hörte er hinter sich ein anderes Geräusch – Schritte. Leise kamen sie näher …
    Bernard drehte sich um. Irritiert starrte er auf die Pistole – Madelines Pistole –, die jetzt auf ihn gerichtet war. Er sah auf und blickte in das Gesicht der Person, die auf ihn zielte. Das alles ergab keinen Sinn, überhaupt keinen Sinn!
    »Warum?« fragte Bernard.
    Die Antwort war der dumpfe Knall der schallgedämpften Automatic. Die Wucht der Kugel schleuderte ihn zu Boden, neben Madeline. Für ein paar Sekunden war er sich der Nähe ihres Körpers bewusst, der Nähe ihres Haares, das wie Seide durch seine Finger glitt. Er streckte die Hand aus und streichelte schwach ihren Kopf. Meine Liebe, dachte er. Meine Allerliebste.
    Dann fiel seine Hand schlaff herunter.

1. Kapitel
    Buckinghamshire, England
Zwanzig Jahre später
    J ordan Tavistock lümmelte sich in Onkel Hughs Sessel und betrachtete amüsiert das Porträt seines Vorfahrens, des unglückseligen Grafen von Lovat. Es hatte schon eine gewisse Komik, dachte er, dass sie Lord Lovat den Ehrenplatz über dem Kaminsims zugeteilt hatten. Ein Paradebeispiel für ihre skurrile Art. Sie stellten ausgerechnet denjenigen ihrer Ahnen aus, der im wahrsten Sinne des Wortes seinen Kopf im Tower Hill verloren hatte. Er war der Letzte gewesen, den man in England offiziell enthauptet hatte – inoffizielle Enthauptungen zählten nicht. Jordan erhob sein Glas und trank einen Schluck Sherry auf das Wohl des glücklosen Grafen. Er war geneigt, sich ein zweites Glas einzugießen, aber es war schon halb sechs, und bald würden die Gäste zum Empfang anlässlich des »Sturms auf die Bastille« eintreffen. Ich sollte wenigstens ein paar meiner grauen Zellen übrig lassen, ermahnte er sich. Vielleicht brauche ich sie noch für den Smalltalk. Smalltalk rangierte unter Jordans meistgehassten Beschäftigungen ganz oben.
    Meistens gelang es ihm, sich vor den Kaviar- und Krawattenrunden seines Onkels Hugh zu drücken, zu denen dieser so gern einlud. Aber der heutige Abend – veranstaltet zu Ehren seiner Hausgäste
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