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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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ihr wie eine Mähne über die Schultern. Innerhalb von Sekunden war sie im Wald verschwunden und nicht mehr zu sehen. Er wusste nicht einmal ihren Namen, dachte er. Er musste Lord Lovat nach ihr fragen.
    Sag mal, Hugh, kennst du eine schwarzhaarige Hexe, die hier die Gegend unsicher macht?
Sie war gekleidet wie die Mädchen vom Land, trug ein ausgewaschenes Hemd und Reiterhosen mit Grasflecken, aber ihrem Akzent nach war sie auf einer sehr guten Schule gewesen. Ein charmanter Widerspruch.
    Er stieg wieder ins Auto. Inzwischen war es fast halb sieben; die Fahrt von London hierher hatte länger gedauert als angenommen. Diese verdammten Landstraßen! Er wendete den Wagen und fuhr zurück zur Hauptstraße, vor jeder Kurve bremste er vorsichtig ab. Man weiß nie, was einen hinter der nächsten Kurve erwartet. Eine Kuh vielleicht oder eine Ziege.
    Oder noch eine Hexe auf einem Pferd.
Ich habe einen ziemlichen Dickkopf.
Er lächelte. In der Tat.
    Sie rutscht aus dem Sattel – bums – und steht sofort wieder auf. Und frech ist sie noch dazu. Als ob ich eine Stute nicht von einem Hengst unterscheiden könnte. Das sieht man doch auf einen Blick.
    Und noch etwas hatte er auf einen Blick festgestellt: dass sie ohne Frage eine Frau nach seinem Geschmack war. Rabenschwarzes Haar, fröhliche grüne Augen.
Sie erinnert mich ein bisschen an …
    Er schob den Gedanken weg, wollte die unangenehmen Bilder, die Albträume verdrängen. Die furchtbaren Erinnerungen an seinen ersten Auftrag, an sein Versagen. Es warf einen dunklen Schatten auf seine Karriere, seitdem hatte er es sich angewöhnt, nie wieder etwas als selbstverständlich hinzunehmen. Schließlich
sollte
man in seiner Branche so arbeiten. Die Fakten überprüfen, nie den Quellen trauen und immer, immer beobachten, was hinter dem eigenen Rücken vorgeht.
    Es machte ihm keinen Spaß mehr.
Vielleicht sollte ich Schluss machen und mich zur Ruhe setzen. Aufs Land ziehen wie Hugh Tavistock.
Aber Tavistock hatte natürlich einen Adelstitel und ein Anwesen und musste sich keine Sorgen machen, obwohl Richard die Vorstellung des massigen und kahl werdenden Hugh Tavistock als Graf belustigend fand.
Vielleicht sollte ich mich einfach auf meinen zehn Hektar in Connecticut niederlassen, mich zum Grafen von sonst was erklären und Gurken ziehen.
    Aber er würde seine Arbeit vermissen. Diesen Hauch von Gefahr, das internationale Schachspiel der großen Geister. Die Welt veränderte sich so schnell, und von einem Tag auf den anderen wusste man nicht mehr, wer Freund oder Feind war …
    Schließlich entdeckte er den Abzweig nach Chetwynd. Da standen die majestätischen Ulmen, von denen die schwarzhaarige Frau gesprochen hatte. Noch beeindruckender war freilich das Anwesen am Ende der Straße. Es war alles andere als ein einfaches Landhaus; es war ein Schloss mit Türmchen und efeuberankten Mauern. Kunstvoll angelegte Gärten dehnten sich kilometerweit aus, und es gab einen gepflasterten Weg zu einem mittelalterlichen Irrgarten. Und hierher hatte sich der alte Hugh Tavistock nach vierzig Jahren Dienst im Auftrag ihrer Majestät zurückgezogen. Das Grafendasein hatte also doch seine Vorteile – denn so viel Geld verdiente man sicher nicht als Staatsbediensteter. Und er hatte Hugh immer für einen bodenständigen Typen gehalten, keinesfalls für einen dieser noblen Gentlemen vom Lande. Er wirkte so unprätentiös, spielte sich nicht auf; er hatte immer den Eindruck eines zerstreuten Beamten gemacht, der eher zufällig ins Allerheiligste des MI 6 geraten war.
    Von all der Grandezza amüsiert, schritt Richard die Stufen hoch, passierte die Sicherheitsschleuse und betrat sicheren Schrittes den Ballsaal.
    Unter den Gästen bemerkte er eine Menge bekannter Gesichter. Der Londoner Wirtschaftsgipfel hatte Diplomaten und Finanzgrößen aus ganz Europa angelockt. Sofort entdeckte er den amerikanischen Botschafter bei der typisch prahlerischen Art von Kontaktpflege, die Diplomaten so an sich haben. Auf der anderen Seite des Raums standen drei Personen, die er noch aus Paris kannte. Philippe St. Pierre, der französische Finanzminister, vertieft ins Gespräch mit Reggie Vane, dem Chef der Pariser Filiale der Bank of London. Neben Reggie stand seine Frau Helena, die wie immer ignorant und schlecht gelaunt wirkte. Ob er diese Frau jemals glücklich gesehen hatte?
    Das laute und etwas vulgäre Lachen einer Frau lenkte Richards Aufmerksamkeit auf eine weitere Bekannte aus Pariser Zeiten – Nina Sutherland,
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