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Verräterische Lippen

Verräterische Lippen

Titel: Verräterische Lippen
Autoren: Carter Brown
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ohnmächtige Wut, hinter der unterdrückte Angst lauerte. Ich hatte die
plötzliche Vision eines kahlen Feldes, beleuchtet von kalter, grauer
Morgendämmerung, und einem Erschießungskommando, das die Gewehre anlegte.
    Dann
wandte ich mich wieder dem Präsidenten zu. Er war ein hochgewachsener Mann,
mehrere Zentimeter größer als meine einszweiundachtzig ,
und mit einem teuren, dunklen Anzug bekleidet. Das ergrauende Haar trug er
kurzgeschnitten, sein nahezu faltenloses Gesicht sah jünger aus als das eines
Mittfünfzigers, der er meiner Rechnung nach sein mußte.
    »Es
sind Ihre beiden Minister, denen Sie am meisten vertraut haben«, erklärte ich
ironisch.
    Er
lächelte schwach wie über einen Witz, den er schon einmal gehört hatte, und
ließ sich in seinen mächtigen Ledersessel sinken.
    Weder
für Ortez noch für mich waren Sitzgelegenheiten
vorhanden. Ich war aber sowieso viel zu nervös, um den Wunsch zu verspüren,
mich irgendwo niederzulassen.
    Mendez
schnalzte mit den Fingern, worauf der Wachtposten, der uns eingelassen hatte,
schnell zu einer in die Wand eingebauten Bar ging. »Möchten Sie etwas trinken ?« fragte der Präsident beiläufig.
    Ich
wäre vor Dankbarkeit fast in Tränen ausgebrochen. Mein zerrüttetes
Nervenkostüm, mein geschundener Leib und mein strapazierter Verstand verlangten
dringend nach Stärkung. Die Wunde, die von meinem Messerkampf mit Marguerita
stammte, war verpflastert und schmerzte nicht mehr. Vielleicht würde ich sie
noch spüren, wenn ich lachte. Aber nach Lachen war mir augenblicklich durchaus
nicht zumute. »Bourbon«, sagte ich. »Pur.«
    Ortez lehnte dankend ab.
    Der
Wachtposten schenkte den Whisky ein und brachte ihn zu mir herüber. Während ich
den Inhalt des Glases hinunterkippte, öffnete der Wachtposten die Tür, an der
es inzwischen geklopft hatte. Ich wandte den Kopf und sah Ramirez, den dünnen
Mann mit dem sensiblen Gesicht. Er trug einen ebenso teuren Anzug wie der
Präsident und bewegte sich mit erstaunlicher Selbstsicherheit durch den Raum.
    »Carlos«,
sagte der Präsident herzlich. »Nachdem wir nun alle versammelt sind, können wir
die unangenehmen Einzelheiten dieser Angelegenheit so schnell wie möglich
hinter uns bringen .«
    Ramirez
bedachte den General und mich mit einem schweigenden Nicken.
    »Noch
einen Whisky für Señor Roberts«, befahl der Präsident. Dann lehnte er sich in
seinen Sessel zurück. »Haben Sie etwas zu berichten ?« erkundigte er sich ruhig.
    Ich
nahm von dem Wachtposten mein gefülltes Glas entgegen. »General Ortez hat Sie zweifellos über die näheren Umstände des
Todes Ihrer Tochter informiert .« Ich hielt dem Blick
des Präsidenten stand. »Es tut mir leid, daß es auf diese Weise geschehen mußte .«
    Er
machte eine abwehrende Handbewegung. »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken,
Señor Roberts. Marguerita war gegen mich. Ihr Tod ist natürlich ein Schock,
aber er hat mich nicht unvorbereitet getroffen .«
    »Sie
hätten mich von Anfang an über Ihre Beziehungen zu Ihrer Tochter ins Bild
setzen sollen«, sagte ich mit aufsteigendem Ärger.
    »Das
hätte keinen Sinn gehabt. Ihre Aufgabe war es, die Ereignisse zu verzögern, um
mir genügend Zeit zur Rückkehr zu geben, bevor meine Goodwilltour durch die
Vereinigten Staaten von meinen Gegnern zu ihrem Vorteil ausgenutzt werden
konnte. Das haben Sie erreicht. Nicht ganz auf die Art, wie ich es mir
vorgestellt hatte, aber nichtsdestoweniger erfolgreich. Ich bin zurückgekommen,
meine Feinde wurden entlarvt, und meine Regierung ist gefestigt. Sie haben sich
Ihre fünfundzwanzigtausend Dollar verdient .«
    »Die
Prämie war für die wohlbehaltene Rückkehr Ihrer Tochter ausgesetzt«, erwiderte
ich gepreßt. »Behalten Sie das Geld .«
    Er
zuckte die Achseln. »Ganz wie Sie meinen .«
    »Hätte
ich gewußt, daß Marguerita in Opposition zu Ihnen stand, wäre es mir möglich
gewesen, mich besser zu schützen und Ihre Tochter vielleicht gefangenzunehmen , ohne sie töten zu müssen .«
    »Wenn
Señor Rodriguez auch nur einen Augenblick lang den Verdacht gehabt hätte, daß
ich von der Beteiligung meiner Tochter an ihrer eigenen Entführung wußte, wäre
er zu schnell vorgegangen. Dann hätte ich keine Zeit mehr gehabt, die
abtrünnigen Militärs zu isolieren und meine Position mit Hilfe von General Ortez zu festigen. Es war nötig, Rodriguez zu überzeugen,
daß Sie Anweisung hatten, meine Tochter unter allen Umständen zu retten, nur
nicht auf Kosten meines Rücktritts. Da
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