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Verliebt, verlobt - verrueckt

Verliebt, verlobt - verrueckt

Titel: Verliebt, verlobt - verrueckt
Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
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getröstet. So was Beklopptes.
    Und dann kommt das Leben danach. Und das ist ganz schwer. Ich war wie in Trance. Ich weiß gar nicht, wie ich zum Beispiel in dieser Zeit Auto gefahren bin. Dass uns nichts passiert ist! Aber der Hund musste morgens raus, Oona musste zur Schule, irgendwie musste es weitergehen. Manchmal, wenn im Radio so herzzerreißende Lieder von Rosenstolz oder so liefen, oder bei » Take good care of my baby« … Da dachte ich dann: Ja, und wer kümmert sich jetzt um mich?
    Holger hatte bis dahin alles gemacht, die ganzen finanziellen Geschichten, da musste ich mich erst mal reinarbeiten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie eine Steuererklärung gemacht. Holger und ich hatten ein Haus gekauft, zur Absicherung– und auf einmal merkte ich, die ganze Finanzierung beruht auf meiner Altersversorgung. Diese ganze Bürokratie, die nach einem Todesfall ins Rollen kommt, das erschlägt einen. Aber im Hinterkopf hatte ich den Gedanken: Meine Mutter hat das alles geschafft, also schaffe ich das auch.
    Und dann war ja Oona da. Schon wegen ihr durfte ich nicht in ein schwarzes Loch fallen.
    Es muss furchtbar für sie gewesen sein, diesen geliebten Vater zu verlieren, der sie auf Händen getragen hat. Sie war seine Prinzessin. Sie hat versucht, stark zu sein. Und das Rührende– und für mich auch fast ein bisschen Traurige– war, dass sie sich so sehr für mich verantwortlich fühlte. Genau so habe ich mich als Kind auch gefühlt, ich fühlte mich immer für meine Mutter verantwortlich. Das war wie ein Déjà-vu.
    Ich weiß noch, dass ich als Kind oft furchtbare Angst hatte und dachte, was ist, wenn meine Mutter stirbt? Wenn die nicht mehr da ist, bin ich ganz allein. Ich stellte mir vor, dass es für Oona ähnlich sein müsste und dachte nur, irgendwie muss ich sie da durchbringen.
    Ich bin mit ihr dahin gegangen, wo’s passiert ist, habe versucht, mit ihr darüber zu sprechen, aber sie hat sich nicht wirklich geöffnet. Wir sind uns da sehr ähnlich, haben wohl beide nicht viel rausgelassen in dieser Zeit. Später haben wir dann darüber gesprochen. Das fing so vor zwei Jahren an, dass sie endlich darüber reden konnte.
    Ich habe nach Holgers Tod haufenweise Briefe bekommen, von Freunden, aber auch von Menschen, mit denen ich gar nicht so viel zu tun hatte. Die habe ich im Übrigen alle zufällig vor ein paar Wochen wieder gelesen, und ich war so gerührt! Ganz, ganz liebe, aufbauende Briefe. Weil Holger und ich so jung zusammengekommen waren, hatten wir sehr viele gemeinsame Freunde, einen riesigen Bekannten- und Freundeskreis. Auch Freundinnen von früher, mit denen ich länger keinen Kontakt gehabt hatte, haben sich gemeldet und sind dann hier vorbeigekommen. Ich fand es gut, dass unsere Freunde keine Scheu hatten, mit mir zu reden und mir ihre Hilfe anzubieten. Ich habe natürlich auch versucht, es ihnen leicht zu machen, so dass sie das Gefühl haben konnten, ja, da kann ich hingehen. Diese Liebe, die ich von Menschen erfahren habe, die hat mir eine unheimliche Kraft gegeben.
    Später fragten mich mehrere Leute, ob ich nicht sauer auf Holger sei, dass er weggegangen ist. Und da habe ich gesagt: Nein, ich bin nicht sauer. Nur traurig. Aber auch dankbar, dass ich die Zeit mit ihm gehabt habe. Ich fand die Frage seltsam, er hat es sich schließlich nicht ausgesucht, er ist gestorben. Ich habe nicht mit dem Schicksal gehadert, sondern ich dachte, ich muss aus diesem Schicksal das Beste machen. Ich wollte es anders machen als meine Mutter.
    Sie war 36 , als sie Witwe wurde, und hat nie mehr geheiratet und ist nie mehr mit einem Mann zusammengezogen. Sie hatte aber Liebhaber, das habe ich teilweise mitbekommen, und das fand ich auch gut. Aber ich hätte mir sehr gewünscht, einen Ersatzvater zu haben. Das war zwar hypothetisch, weil ich ja gar nicht wusste, wie es mit einem Vater ist, aber ich hätte es mir für meine Mutter gewünscht. Mir tat es so leid, dass sie alleine war. Und später habe ich dann erfahren, dass meine Mutter viele Probleme mit Freundinnen hatte, die eifersüchtig waren, und dass Freundschaften deshalb auseinandergingen. Die dachten wohl, meine Mutter könnte eine Konkurrenz für sie sein. Ich habe das nicht so erfahren. Ganz selten hat vielleicht jemand eine Bemerkung in so eine Richtung gemacht, die verletzend war. Aber insgesamt bin ich total aufgefangen worden.
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