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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Enger
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Blick ein weiteres Mal durch das Lokal schweifen, ehe sie ihn direkt auf Bjarne richtet. »Und – was glaubst du, wer wird unser neuer Justizminister?«
    Bjarne zuckt mit den Schultern. »Eigentlich ist mir das ziemlich egal. Es hat keinen Einfluss auf unsere Arbeit.«
    »Aber es ist schon speziell, dass sie auf diese Weise abtritt.«
    Bjarne denkt an Trine, seine große Jugendflamme, und schüttelt den Kopf.
    »Sie kann keine sonderlich gute Führungskraft gewesen sein«, sagt Sandland.
    »Möglich«, sagt Bjarne leise.
    »Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz«, fährt Sandland fort und sieht ihn an. »Ich habe eine Freundin, die das mal mitgemacht hat. Es war nicht wirklich schlimm, aber doch mehr als lästig. Immer diese Blicke, Bemerkungen, das Flüstern und Getuschel hinter ihrem Rücken.«
    Bjarne ist plötzlich danach, den oberen Hemdknopf zu öffnen.
    »Sie hat ihrem Chef davon erzählt, aber meinst du, der hätte irgendwie reagiert?« Sandland schüttelt den Kopf, noch ehe Bjarne antworten kann. »Ein guter Chef hätte sich darum gekümmert«, sagt sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Ein guter Chef lässt so etwas gar nicht erst geschehen.«
    Und dieses Mal ist es Bjarne, der ihrem Blick ausweicht, zum allerersten Mal. Er sucht Zuflucht in seinem Bierglas. Er weiß nicht, was er sagen soll, sieht sich im Lokal um. Donnerstagabend. Gute Stimmung. Leben und Lachen.
    »Na denn, Prost!«, sagt Sandland und lächelt ihr bezauberndstes Lächeln.
    Bjarne erwidert den Gruß und leert sein Glas.
    Ihm liegt ein Wort auf der Zunge, als er sie wieder ansieht.
    Er schafft es aber nicht, es auszusprechen.

FREITAG
    92
    Henning wacht mit einem Ruck auf und weiß erst nicht, wo er ist. Dann erkennt er die Wände seines eigenen Wohnzimmers wieder, die Decke, die Streichholzschachtel und die Coladose auf dem Tisch neben dem Sofa. Und noch ehe er die Augen richtig aufgeschlagen hat, sind sie wieder da, die Gedanken an die Ereignisse der letzten Tage, an all das, was er erfahren hat. Die Vergangenheit hat sich erhoben wie ein vielköpfiges Gespenst und zerrt von allen Seiten an ihm.
    Henning dreht sich zum Tisch um und sieht auf dem Handydisplay, dass der Tag schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Zum Glück hat er Heidi am Abend zuvor bereits angekündigt, dass er heute etwas später in die Redaktion kommen wird. Darum nimmt er sich ausgiebig Zeit zum Duschen und beschließt, erst einen Punkt nach dem anderen abzuarbeiten. Wenn die Osteuropäer, die Andreas Kjær eingeschüchtert haben müssen, irgendetwas mit Ørjan Mjønes zu tun haben, muss es hier vor Ort Leute geben, die sie kennen. Ich brauche nur ein paar Namen, denkt Henning, dann werde ich sie finden.
    Henning hat kaum den Wasserkocher in der Küche angestellt, als sein Handy piepst. Eine Nachricht vom Nachrichtendienst der Redaktion.
    Designierter Nachfolger von Justizministerin Trine Juul-Osmundsen ist Truls Ove Henriksen. Henriksen, der aus Tromsø stammt, war zuvor als politischer Berater tätig.
    Henning hat bisher kaum etwas von dem Mann gehört. Er klickt den an die Nachricht angehängten Link an. Auch dort steht nicht viel mehr zur Person, aber ihm sticht ins Auge, dass Harald Ullevik, der als sonnenklarer Favorit für Trines Nachfolge gehandelt worden ist, mit sofortiger Wirkung sein Amt als Staatssekretär aufgegeben hat. Ein Grund dafür ist nicht angegeben, nur dass er »auf eigenen Wunsch« geht.
    Henning lächelt. Jetzt wäre er gern Mäuschen im Justizministerium. Aber es gibt Dinge, die wichtiger sind.
    Bjarne Brogelands Stimme klingt verschlafen, als Henning ihn endlich erreicht. Wahrscheinlich geht er es heute auch ruhig an.
    »Danke für gestern«, sagt Henning.
    »Danke gleichfalls.«
    »Gut, dass es so ausgegangen ist.«
    »Hm-m.«
    »Ich muss dich was fragen. Die Schwedisch-Albaner, zu denen Ørjan Mjønes Kontakt hatte, habt ihr die gefasst?«
    Brogeland antwortet nicht gleich. »Danach fragst du jetzt ?«
    »Ja.«
    Wieder vergehen ein paar Sekunden. Henning hört ihn gähnen.
    »Anstrengende Nacht?«, fragt er.
    »Bist du sicher, dass es schon Morgen ist?«
    »Ziemlich sicher.«
    »Also, diese Schwedisch-Albaner«, sagt Brogeland gedehnt. »Ich kann das für dich überprüfen. Als wir das letzte Mal über sie gesprochen haben, waren sie abgetaucht. Wahrscheinlich haben die meisten von ihnen das Land verlassen.«
    »Aus Angst, sie könnten im Knast landen?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Theoretisch könnten sie also überall sein.«
    »Das
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