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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Enger
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nehme ich an, ja.«
    »Okay«, sagt Henning entmutigt, dann legen sie auf.
    Aber selbst wenn die Typen untergetaucht sind, denkt Henning, muss es doch irgendwie möglich sein, sie aufzuspüren. Man muss nur die richtigen Leute fragen.
    93
    Bjarne hat die ganze Nacht hellwach dagelegen, den Blick an die Decke gerichtet. Irgendwann ist er aufgestanden und hat sich mit seiner Bewerbung an das Polizeipräsidium Vestfold an den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer gesetzt und sich die schwülstigen Formulierungen, Ambitionen und Visionen noch einmal durchgelesen. Am Ende hat er die Seiten zerrissen und in den Papierkorb geworfen.
    Jetzt betritt er die Küche, wo Alisha auf ihrem Tripp-Trapp-Stuhl sitzt und alles andere tut, als zu frühstücken. Er bleibt stehen und sieht sie zärtlich an.
    So groß und doch so klein.
    Es hat wenig Sinn, ihr zu erklären, weshalb ein Abend nach dem anderen vergeht und er nicht da ist, wenn sie schlafen geht. Aber zumindest einen Versuch schuldet er ihr.
    »Hallo, meine Mädchen«, sagt er, geht zu dem Eckschrank neben dem Fenster und nimmt mehrere Flaschen heraus, ehe er findet, was er sucht. Ungeöffnet und verstaubt. Mit einem kräftigen Puster bläst er die Staubschicht weg und liest das Etikett mit dem urnorwegischen Namen Braastad .
    »Was willst du denn damit?«, fragt Anita überrascht. »Du willst doch um diese Zeit nicht etwa Cognac trinken?«
    »Ach was«, sagt Bjarne und lacht. Er findet eine Tüte und steckt die Flasche hinein.
    »Was hast du denn vor?«
    Bjarne drückt ihr einen Kuss auf die Wange und lächelt. »Ich will einen Freund besuchen.«
    Es ist bereits Abend, als Henning das Treppenhaus seiner Mutter betritt, aber diesmal geht er nicht zu ihr. Stattdessen klopft er bei ihrem Nachbarn. Schritte nähern sich. Die Tür geht auf, und Hausmeister Karl Ove Marcussen, ein Mann mit kugelrundem Bierbauch, schütterem schulterlangem Haar und Sechstagebart mustert ihn von oben bis unten.
    »Hallo«, sagt Henning. »Ich bin Christines Sohn.« Er zeigt auf die Tür nebenan.
    »Ah«, sagt Marcussen und nickt. »Sie waren das, der …«
    »Ganz genau.«
    Marcussen nickt wieder. »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
    »Ein Unfall mit einem Ultraleichtflieger«, antwortet Henning. »War knapp.«
    »Teufel auch.«
    »Danke, dass Sie getan haben, worum ich Sie gebeten hatte. Ich denke, sie hat in den letzten Tagen weder Radio gehört noch ferngesehen. Aber so langsam scheint sich die Situation zu beruhigen.«
    »Sie meinen, ich soll die Leitung wieder …«
    »Es wäre toll, wenn Sie sich darum kümmern könnten, ja, damit sie ihr Trommelfell weiter malträtieren kann. Und – bitte schön«, sagt Henning und reicht ihm eine blickdichte Tüte. »Für Ihre Sammlung als Dank für Ihre Hilfe.«
    Der Hausmeister zieht seine Hose hoch, nimmt die Tüte und wirft einen Blick hinein. Grinst, als er sieht, was für ein Film es ist. Er will sich gerade bedanken, als Henning abwehrend die Hände hebt. »Nicht der Rede wert.«
    Henning verabschiedet sich mit Pfadfindergruß von Karl Ove Marcussen, bedankt sich noch einmal für die Schützenhilfe und macht sich auf den Heimweg. Er weiß nicht, wie es kommt, aber unvermittelt erinnert er sich an seinen Mentor Jarle Høgseth, der sich – wann immer er bei einer seiner Kriminalreportagen feststeckte – zurück an den Tatort begab, vorzugsweise zum gleichen Zeitpunkt, da die Tat begangen wurde. Um die Stimmung in sich aufzunehmen. Um nachzusehen, ob es noch irgendwelche Details gab, die er vor lauter Polizeiabsperrungen nicht wahrgenommen hatte.
    Im Schadensbericht stand, dass die Polizei um 20.35 Uhr von dem Brand in Hennings Wohnung informiert worden sei.
    Henning geht in Richtung Markveien 32 und bleibt vor dem Eingang stehen, durch den er so oft ein und aus gegangen ist. Zusammen mit Jonas.
    Er sieht sich um, versucht, sich vorzustellen, wo Tore Pulli gesessen haben könnte, um den Eingang im Blick zu behalten. Es gibt mehrere Möglichkeiten zu beiden Seiten der Straße.
    Henning läuft ein paar Mal auf der Straße auf und ab, begegnet ein paar späten, versprengten, feierabendlich gestimmten Menschen mit klirrenden Einkaufstüten und einer Frau mit Kinderwagen. Autos rollen langsam über die Bremsschwellen.
    Was war Tore Pullis Anliegen? Warum saß er ausgerechnet hier in seinem Auto, um diese Zeit? Und weshalb hat er aus dem Knast heraus Kontakt zu mir aufgenommen? Vor dem Brand hatten wir nie miteinander zu tun.
    Henning kommt zum gleichen
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