Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
Verpflichtungen«, sagte Bruno eine Spur zu locker.
    »Muss auch nach Hause zu meiner Frau, vielleicht guckt die ja gerade deine Pornos«, schmunzelte Hape, und auch Christian zuckte bedauernd mit den Schultern. »Schade«, Sina war sichtlich enttäuscht, »ich hätte gerne da angeknüpft, wo wir vor 25 Jahren aufgehört haben!«
    Die drei Freunde sahen sich völlig geplättet an.
    »Wie meinst du das?«, fand Hape als Erster die Sprache wieder. »Na ja, ich habe euch doch erzählt, dass ich jetzt Pornos für Frauen produziere, und da sind auch ältere Menschen gefragt, ihr erinnert euch doch an Wolke 9, Sex im Alter, ein Riesenerfolg, und im Publikum nur Frauen.«
    »Du meinst«, fragte Christian hörbar entsetzt, »wir sollen in einem Porno mitmachen?«
    »In einem ehrlichen Erotikfilm für das reifere weibliche Publikum«, sagte Sina und lächelte sie unschuldig an.
    »Da bin ich noch zu jung für«, sagte Bruno, »und ich brauch auch kein Geld im Moment.«
    Hape musste lachen.
    »Kommt drauf an«, sagte Christian, »wenn Sloterdijk auch mitspielt, würde ich es mir überlegen.«
    Sina schaute Hape neugierig an. »Ne, lass mal stecken, Sina«, Hape kämpfte mit einem Lachflash und schnappte nach Luft, »ich glaube, ich würde vor Aufregung nichts zustande bringen, aber ich habe mal einen Porno gesehen, da saß so ein auf Franzose gequälter Maler mit Baskenmütze und gezwirbeltem Schnurrbart im Bild und malte das Ganze, die Rolle wäre was für mich!«
    »Gekauft!«, strahlte Sina, »und ich habe auch schon den Titel: ›Der Pinselstrich - Alte Nutten in Öl‹, kommt, Jungs, das ist wie Schwimmen, das verlernt man nicht!«
    »Nein, nein«, meinte Hape, »das sollte ein Witz sein! Ich schwinge meinen Pinsel nur noch auf meiner eigenen Leinwand, das reicht mir. Außerdem haben wir die sexuelle Revolution damals gemacht, ist heute nicht mehr mein Thema.«
    »Tja, da könntest du recht haben, ist heute wohl eher ein Frauending« , sagte Sina, »also gut, dann lasst uns wenigstens Kärtchen tauschen, vielleicht ruft man sich mal an, zum Vatertag oder so.«
    Sinas Lachen hatte nichts an Suggestivkraft verloren, ebenso der Einblick in ihr Dekollete, den sie bei der herzlichen Verabschiedung mit Küsschen auf die Wange gewährte.
    »Immer noch ein heißer Ofen, was?«, meinte Hape, als sie das Museum verließen. Bruno musste husten. »Kann man wohl sagen«, krächzte er.
    Christian schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Jetzt bloß keine Schnappatmung.«
    Lachend gingen sie ihrer Wege. Drei Monate später saßen sie in Begleitung ihrer Frauen erwartungsvoll in der ersten Reihe des Kinos, in dem die Premiere von Sinas neuester Erotik-Komödie »Reife Früchte schmecken süßer« in wenigen Minuten beginnen sollte. Sina hatte ihre hochoffizielle Einladung inklusive Flugtickets nach Hamburg und Zimmerreservierung im Kempinski-Atlantic handschriftlich ergänzt um die Zeile: »Die Begleitung der Gattin ist Voraussetzung!«
    »Wo bleibt sie denn nur?«, fragte Hape, als das Licht ausging und der rote Vorhang sich öffnete. »Sie ist doch schließlich die Hauptperson!«
    Das sollte sich als Irrtum erweisen. Giovanni, Sinas Sohn, spielte den jungen, feurigen, immergeilen Latin Lover mit einem Faible für jung gebliebenes Gemüse. Es schien ihm und den drei Hauptdarstellerinnen wirklich einen Riesenspaß zu machen. Für Bruno, Christian und Hape wurde es ein unvergesslicher Abend. Wann sieht man schließlich die eigene Frau schon mal in einem Porno? Dass Sloterdijk ganz kurz mal als Maler zu sehen war, kriegten sie gar nicht mit.
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

ANALYSEFOLGEN
    Den blonden Schopf halblanger Haare, die ungezähmt im Wind wehten, erkannte ich sofort und freute mich, seine Besitzerin zufällig hier in der Fußgängerzone wiederzusehen.
    »Hallo Nina«, rief ich, bremste ab und stieg vom Rad.
    »Hey«, sagte sie freundlich, aber ihr Lächeln wirkte etwas gequält. »Was treibst du denn hier, heute nicht im Einsatz?«
    Ich kannte sie aus dem Freibad, wo sie als Schwimmmeisterin arbeitete und normalerweise stets gut gelaunt darauf achtete, dass alle Gäste wieder heil aus dem Wasser kamen. Obwohl sie ein bisschen pummelig und nicht gerade groß geraten war, hatte ich ein Auge auf sie geworfen und mich in den letzten Wochen viel öfter, als es meinen Neigungen entsprach, ins kühle Nass begeben. Besonders ihr Gang hatte es mir angetan; er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher