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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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Oberflächlich betrachtet, machte er den Eindruck eines Mannes, der sich nach einem langen Arbeitstag entspannte.
    Adam war kein Mensch, der in der Masse unterging. Dank seiner kerzengeraden Haltung wirkte er größer als einen Meter achtzig. Außerdem sorgte er durch ständige sportliche Betätigung dafür, dass er schlank und fit blieb. In seinem schmalen Gesicht fielen einem zuerst die hellbraunen Augen und das einnehmende Lächeln auf. Er war froh darüber, dass sich inzwischen einige graue Strähnen durch sein dunkelbraunes Haar zogen; denn er wusste, dass er sonst einen zu jungenhaften Eindruck gemacht hätte.
    Adam schlüpfte aus seinem Sakko, lockerte die Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Das Mobiltelefon steckte in seiner Hemdtasche. Er holte es heraus und legte es auf den Tisch neben das Glas. Ganz bestimmt würde Nel heute nicht mehr im Hotel anrufen und erfahren, dass er abgereist war. Wenn sie ihn überhaupt erreichen wollte, würde sie seine Mobilfunknummer wählen. Doch auch das war unwahrscheinlich, denn schließlich hatten sie erst heute Nachmittag vor ihrem Termin mit ihrem Großvater miteinander gesprochen. Adam vermutete, dass sie einen geeigneten Moment abwarten würde, um das Ergebnis dieses Treffens mit ihm zu erörtern.
    Also gehört dieser Abend ganz allein mir, dachte Adam. Ich kann tun und lassen, was ich will. Ich könnte sogar das Modell aus dem Fenster nehmen, mein Entwurf wurde sowieso abgelehnt. Wahrscheinlich wird Mac nicht traurig darüber sein, überlegte er bitter. Aber nachdem er eine Stunde lang die verschiedenen Möglichkeiten Schritt für Schritt gegeneinander abgewogen hatte, beschloss er, nach Hause zu fahren. Er fühlte sich im Büro beengt und hatte nur wenig Lust, hier auf der Klappcouch zu übernachten.
    Es war fast zwei Uhr, als er sich auf Zehenspitzen in seine Wohnung schlich und das Flurlicht anknipste. Im Gästebad duschte er, zog sich um und legte dann seine Kleider für den nächsten Tag ordentlich zurecht. Dann ging er leise ins Schlafzimmer und schlüpfte ins Bett. Nells regelmäßiger Atem sagte ihm, dass es ihm gelungen war, sie nicht zu wecken. Er war erleichtert. Denn er wusste, dass sie stundenlang nicht würde einschlafen können, wenn sie erst einmal aufgewacht war.
    Er hingegen litt nicht unter derartigen Schwierigkeiten. Die Müdigkeit übermannte ihn schlagartig, und ihm fielen die Augen zu.

    Freitag, 9. Juni

4
L
    isa Ryan wachte auf, lange bevor ihr Wecker um fünf Uhr klingelte. Jimmy hatte wieder eine unruhige Nacht gehabt, sich herumgewälzt und im Schlaf geredet. Drei- oder viermal hatte sie ihm beschwichtigend den Rücken getätschelt.
    Endlich, vor wenigen Stunden, war er tief eingeschlafen. Und sie wusste, dass sie ihn jetzt wachrütteln musste. Sie selbst hätte eigentlich noch im Bett bleiben können, und sie hoffte, nachdem er gegangen war, noch ein wenig dösen zu können, bevor sie die Kinder weckte.
    Ich bin so müde, dachte Lisa. Ich habe kaum ein Auge zugetan, und heute wird ein langer Arbeitstag. Sie war Maniküre und von neun bis um sechs durchgehend ausgebucht.
    Früher war ihr Leben nicht so anstrengend gewesen. Doch als Jimmy seine Arbeit verloren hatte, war es ziemlich schnell bergab gegangen. Fast zwei Jahre lang hatte seine Arbeitslosigkeit gedauert, bis ihm Cauliff und Partner seine jetzige Stelle vermittelt hatten. Die Familie hatte sich zwar ab und zu etwas dazuverdienen können, aber sie zahlte immer noch Rechnungen, die sich während der Arbeitslosigkeit angehäuft hatten.
    Leider hatten die Umstände von Jimmys Kündigung nicht unbedingt dazu beigetragen, seine Lage zu verbessern. Sein Chef hatte ihn gefeuert, weil er eine Unterhaltung zwischen Jimmy und einem Kollegen mitgehört hatte. Jimmy hatte den Verdacht geäußert, dass jemand in der Firma in die eigene Tasche wirtschaftete. Diese Vermutung hatte er deshalb, weil der verwendete Beton nicht annähernd der im Leistungsverzeichnis aufgeführten Qualität entsprach.

    Nach diesem Vorfall erhielt Jimmy auf jede seiner Bewerbungen dieselbe Antwort: »Tut uns leid, wir brauchen Sie nicht.«
    Und die Erkenntnis, dass es naiv, dumm und sinnlos von ihm gewesen war, diese Bemerkung überhaupt zu machen, hatte Jimmy sehr verändert. Lisa war sicher, dass er kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, als überraschend der Anruf von Adam Cauliffs Sekretärin kam. Jimmys Bewerbung sei an die Baufirma Krause weitergeleitet worden, und zu seiner großen
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