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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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Einsatzfahrzeuge über die Dyvekes-Brücke fahren. Brogeland fährt bei Rot über eine Ampel und folgt ihnen.
    »Da ist seine Vespa«, sagt Nora und streckt den Arm aus.
    Brogeland tritt auf die Bremse. »Sind Sie sicher?«, fragt er.
    »Ja!«
    Brogeland informiert die anderen über Funk, fährt auf den Bürgersteig und parkt. Beide steigen aus. Die Bäume am Zaun bieten keinen Schutz vor dem prasselnden Regen, sodass sie bald völlig durchnässt sind. Brogeland öffnet den Kofferraum und schließt den Waffenkoffer auf. Dann nimmt er die Standardwaffe der Polizei heraus – eine Heckler & Koch HK P30 – und rennt, so schnell er kann, zum nächsten Friedhofseingang. Nora folgt dicht hinter ihm.
    Gunhild Dokken läuft zurück zu Vidar Fjells Grab, holt Hennings Schultertasche, die Axt, mit der sie Jocke Brolenius getötet hat, und den Spaten. Gleich darauf ist sie wieder am offenen Grab und beginnt, Erde in das Loch zu schaufeln. Zu viel darf ich nicht reinschaufeln, denkt sie, wenn morgen eine Beerdigung ist. Juul wird in jedem Fall gefunden werden, aber zumindest kann ich ein bisschen Zeit rausschinden. Es wird schon niemand auf den Friedhof kommen und in das Grab gucken, wenn ich die Plastikplane wieder über die Öffnung lege. Und sollte doch jemand so neugierig sein, wird er nicht mehr erkennen als ein bisschen Erde.
    Juuls Oberkörper und die Beine sind bereits nicht mehr zu sehen, nur Kopf, Hände und der vordere Teil eines Fußes ragen noch aus der Erde. Sie drückt den Spaten erneut in die weiche Erde, wirft die nächste Ladung ins Grab, verfehlt aber seinen Kopf. Systematisch schaufelt sie weiter, trifft schließlich. Die Erde bedeckt jetzt fast sein ganzes Gesicht. Zufrieden registriert sie, dass sie mit der nächsten Spatenladung die Hände zudecken kann, dann vielleicht noch zwei Spaten für den Fuß und den Rest des Kopfes.
    Bjarne Brogeland wirft einen Blick auf die Zeitungsseite, die sie aus Juuls Wohnung mitgenommen haben, und läuft weiter. Ein Stück vor sich erkennt er die Konturen des Springbrunnens durch den Regendunst. Über die Wege rechts und links von ihm nähern sich andere Beamte mit gezückten Waffen. Sie haben keine Zeit, auf die Sondereinsatztruppe zu warten. Jede Sekunde zählt.
    Sie rücken so lautlos vor wie möglich. Neben ihm hebt ein Mann, von dem er nur die Silhouette sieht, die Hand. Alle bleiben stehen. Ein weiteres Zeichen wird gegeben, und einige Männer verteilen sich, während Brogeland geradeaus weitergeht. Er bleibt stehen und lauscht, hört aber nur den trommelnden Regen. Dann nimmt er vor sich etwas wahr. Eine dunkle Gestalt, die mit einem Spaten in der Hand energisch Erde in ein Loch schaufelt. Nur von Henning Juul ist nichts zu sehen.
    Langsam nähert er sich. Und erkennt, dass es sich bei der Person um Gunhild Dokken handelt. Sie hat ihn noch nicht bemerkt. Die Polizisten bleiben wieder stehen. In dem Nebel ist schlecht auszumachen, wie weit sie noch entfernt ist, aber es können kaum mehr als zehn oder fünfzehn Meter sein. Aus allen Richtungen nähern sich jetzt Polizisten. Sie haben sie umzingelt. Sie kann nicht mehr entkommen.
    Dokken schaufelt weiter. Brogeland sieht nach links zu seinem nur wenige Meter entfernten Chef und erhält ein Nicken als Antwort. Dann rennt er los und schreit dabei aus vollem Hals. Er hofft auf das Überraschungsmoment, darauf, dass sie paralysiert stehen bleibt und ihre Waffe nicht mehr ziehen, keine Beweise vernichten oder fliehen kann. Und tatsächlich erzielt er die gewünschte Reaktion. Gunhild Dokken zuckt zusammen und bleibt wie angewurzelt stehen. Sie ist vollkommen überrumpelt. Als Brogeland sie erreicht, steht sie stocksteif da, sodass er sie zu Boden werfen und ihr den Arm auf den Rücken drehen kann.
    115
    Unten im Grab ragt ein Fuß aus der Erde. Während Brogeland sich um Gunhild Dokken kümmert, springt Emil Hagen ins Grab und wischt die Erde von Henning Juuls Gesicht. Brogeland überlässt Dokken einigen Kollegen, widersteht aber der Versuchung, auch nach unten zu springen und zu helfen, weil der Platz dafür gar nicht ausreichen würde. Hagen befreit Juuls Gesicht von der Erde und legt Zeige- und Mittelfinger an Juuls Hals.
    »Kein Puls«, ruft Hagen.
    »Wir brauchen einen Rettungswagen!«, ruft Brogeland.
    Nebenan verkündet eine Stimme, dass der schon unterwegs sei. Vier bis fünf Minuten, denkt Brogeland, dann müssten sie da sein. Juul hat offensichtlich einen kräftigen Schlag an die Schläfe bekommen, vermutlich
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