Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
Vom Netzwerk:
Jocke und Tore in die Fabrik gefahren. Sie ging in das Gebäude hinein und ließ die Tür offen stehen, damit Jocke denkt, dass Tore bereits da ist, der ja bekannt dafür war, immer pünktlich zu kommen. Und Jocke ist darauf reingefallen. Drinnen hinter einer Säule verborgen stand dann Gunhild und wartete auf ihn. Als er an ihr vorbeiging, schlug sie zu, blitzschnell, und traf ihn seitlich am Hals, etwa hier«, sagt Henning und zeigt auf die Stelle an seinem eigenen Hals. »Der erste Schlag hat ihm schon fast den Kopf abgetrennt. Der Rest war kein Problem mehr. Dreizehn Schläge insgesamt. Rücken, Schulter, Arme, einen in den Nacken.«
    »Mann«, sagt Iver. »Da muss verdammt viel Wut im Spiel gewesen sein. Und dann hat sie ihm anschließend noch den Kiefer gebrochen?«
    »Ja, aber sie brauchte noch mehr, um Pulli diesen Mord auch sicher anzuhängen, und an diesem Punkt kommt der Schlagring ins Spiel.«
    »Ich verstehe noch immer nicht ganz: Wäre es nicht besser gewesen, ihn einfach zu erschießen, wie sie es bei Robert von Derksen gemacht hat?«
    »Das wäre auf jeden Fall sicherer gewesen, ja. Dokken hat, soweit ich weiß, noch nichts darüber gesagt, weshalb sie die Axt genommen hat, ich habe aber eine Theorie. Hast du schon mal was von Forsete gehört?«
    »Nein, wer soll das sein?«
    »Vidar Fjell hatte ein lebhaftes Interesse für die nordische Mythologie. Bestimmt hat er Dokken in ihrer gemeinsamen Zeit viel davon erzählt. Das Design für das Åsgard ist jedenfalls auf ihrem Mist gewachsen. Und Dokken wollte ja den Mord an Vidar Fjell rächen, sie wollte, dass Vidar Gerechtigkeit widerfährt. Forsete ist in der nordischen Mythologie ein Gott der Gerechtigkeit. Und er besaß eine Axt.«
    Iver lacht auf. »Ich sag es ja schon immer: Frauen!«
    Beide lächeln.
    »Und der Schlagring? Wie hat sie den in die Finger bekommen?«
    Henning kratzt sich an der Stirn. »Als Tore Pulli seinen Job als Geldeintreiber aufgegeben hat, hängte er den Schlagring symbolisch an den Haken – in seinem Büro. Er hat da eine große Nummer draus gemacht, so ziemlich jeder wusste davon. An einem der Abende, an dem die ganze Gang von Kraft & Respekt bei Pulli zu Hause war, um darüber zu debattieren, was sie mit Jocke Brolenius machen sollten, hat sie den Schlagring eingesteckt.«
    Iver nickt beeindruckt. Daraufhin schweigen sie eine ganze Weile.
    »Aber«, sagt Henning schließlich und steht auf, »ich bin nicht gekommen, um mich mit einem Krüppel wie dir zu unterhalten.«
    »Ach, nicht?«
    »Ich habe eine Frage an dich. Von Petter Holte.«
    117
    Eine Woche nach Gunhild Dokkens Festnahme trifft Henning Veronica Nansen bei der Straßenbahnhaltestelle Sognsvann. Sie umarmt ihn herzlich.
    »Schön, Sie zu sehen, Henning«, sagt sie.
    »Gleichfalls. Wie geht es Ihnen?«
    »Einigermaßen, danke. Und selbst? Sie haben ja einiges geschafft in der letzten Zeit.«
    »Das eine oder andere, ja«, sagt er und lächelt zögerlich.
    Sie passieren das Fitnesscenter und gehen weiter in Richtung See. Mütter und Väter mit Kinderwagen laufen in Trainingsklamotten an ihnen vorbei.
    »Ich hätte nie gedacht, dass Petter mit der Presse reden würde«, sagt Nansen. »Und auch nicht, dass er so offen und ehrlich über die Zeit in der Untersuchungshaft Auskunft geben würde. Über die Gedanken, die er sich über Tore gemacht hat, und über seine Angst, dass auch er unschuldig verurteilt werden könnte. Das war unglaublich gut, Henning!«
    »Danke«, sagt er und lächelt verlegen. »Nicht nur in der Beziehung war er ehrlich.«
    Henning erzählt ihr, dass ihn seine Angst auch dazu veranlasst hat, die Karten offen auf den Tisch zu legen und alles über den Überfall auf Iver Gundersen preiszugeben. Als Kent Harry Hansen nach dem Interview mit Gundersen zurück ins Kraft & Respekt kam, war er auf hundertachtzig. Holte ging in sein Büro und erfuhr, was passiert war. Später am Abend hatte Holte Iver an der Tür vom Åsgard gesehen und beschlossen, die Angelegenheit auf eigene Faust zu klären. Er wollte damit das Milieu schützen und sein Ansehen in der Gruppe steigern. Dabei hat er gar nicht vorgehabt, Iver so übel zuzurichten. Holte hat einfach nur kein Gefühl dafür, wann es genug ist.
    »Das ist typisch für ihn«, sagt Nansen. »Wie geht es in dem Fall weiter?«
    »Ich weiß es nicht so genau. Ich habe Iver gefragt, ob er sich vorstellen könnte, das Ganze eventuell auf sich beruhen zu lassen. Er hat gesagt, dass er es sich durch den Kopf gehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher