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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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dass sie sich nicht schon früher um ihn gekümmert hat, sie hätte merken müssen, dass er ihr gefährlich werden konnte. Robert war auch gefährlich, aber auf eine ganz andere Weise. Sie hat jahrelang bei ihm trainiert und schließlich auch den Pulli-Schlag von ihm gelernt. Und als er sie dann fragte, ob sie die Kenntnis über diese spezielle Schlagtechnik an jemand anderen weitergegeben hätte, ist ihr klar geworden, dass Juul in Roberts Kopf erste Zweifel gesät hatte. Damit dieser Samen gar nicht erst wachsen konnte, musste sie ihn töten. Die perfekte Gelegenheit bot sich, nachdem Robert und Petter auf Tores Beerdigung aneinandergeraten waren. Petter war ein Idiot und damit der ideale Sündenbock.
    Dokken durchsucht Juuls Taschen und findet ein Handy, das ausgeschaltet oder kaputt zu sein scheint. Ob er noch jemanden informieren konnte, ist schwer zu sagen. Vermutlich. Sie muss auf jeden Fall damit rechnen, und das bedeutet, dass ihr nicht viel Zeit bleibt. Was also tun? Ihn einfach liegen lassen?
    Nein. Nicht neben Vidars Grab. Auf der anderen Seite des Springbrunnens entdeckt sie ein frisch ausgehobenes, mit einer Plane abgedecktes Grab. Der Regen klatscht auf das Plastik.
    Die Tür zu Henning Juuls Wohnung fliegt krachend auf. Bjarne Brogeland nickt dem Feuerwehrmann zu, der mit wenigen gezielten Axtschlägen die Schlösser zerlegt und ihnen dann die Tür geöffnet hat. Brogeland tritt ein, dicht gefolgt von Nora. Er braucht nur wenige Sekunden, um zu erkennen, dass die Wohnung leer ist.
    »Wem war er auf den Fersen?«, fragt Nora.
    »Darüber kann ich nichts sagen«, antwortet Brogeland.
    »Henning hat gesagt, dass er herausgefunden hat, wer das getan hat«, fährt Nora fort und geht weiter in die Küche hinein. » Was getan?«
    Wieder bleibt Brogeland ihr die Antwort schuldig. Stattdessen kneift er die Augen zusammen und ärgert sich darüber, nicht früher mit Henning gesprochen zu haben, als er noch die Gelegenheit dazu hatte. Im gleichen Augenblick klingelt es. Hastig nimmt Brogeland das Handy aus der Tasche.
    »Hallo, ich bin’s«, sagt Fredrik Stang. »Ausgehend von einem Telenor-Sendemast hält Gunhild Dokken sich derzeit in Gamlebyen auf. Zumindest war sie gerade noch dort.«
    »Gamlebyen«, murmelt Brogeland und spürt im selben Moment einen Arm an seiner Seite. Er dreht sich zu Nora um, die ihm den Ausdruck eines Artikels in der Aftenpos ten hinhält. Brogeland sieht ein Bild von Irene Otnes und Gunhild Dokken, die vor Vidar Fjells umgestürztem Grabstein knien. Unter dem Bild steht ein Text über die Grabschändung auf dem Friedhof von Gamlebyen nur wenige Tage nach dem Mord an Joachim Brolenius.
    »Verdammt«, sagt Brogeland und sieht Nora an. Er gibt Stang einen kurzen Hinweis. Sekunden später sind sie auf dem Weg.
    114
    Die Axt lässt Gunhild erst einmal liegen. Sie zieht Henning an den Füßen hinter sich her. Der Typ wiegt ja fast nichts, denkt sie und dreht sich um, damit sie nicht in die Umrandung des Springbrunnens läuft. Sie lächelt still vor sich hin. Juuls lebloser Kopf rollt auf den Platten hin und her.
    Kurz darauf hat sie das offene Grab erreicht. Eine dicke Plastikplane liegt über dem Loch, das sicher irgendwann morgen wieder aufgefüllt werden wird. Sie lässt Juuls Füße los und sieht sich um. Noch immer ist niemand zu sehen. Mit einer schnellen Bewegung schlägt sie die Plane über der etwa zwei Meter tiefen Grube zur Seite und schiebt Juul mit den Füßen näher an den Rand heran. Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden, denkt sie mit einem Lächeln.
    Brogeland fährt, so schnell es nur geht, über die Toftes gate und jagt einer Frau mit einem Kinderwagen, die in Höhe des Sofienbergparks die Straße überqueren will, den Schreck ihres Lebens ein, obwohl er sowohl Blaulicht als auch die Sirene eingeschaltet hat. Die Scheibenwischer zucken in der schnellsten Einstellung hin und her und wedeln den Regen zur Seite. Neben ihm klammert Nora sich an den Türgriff, presst sich mit aller Kraft in den Sitz und starrt nach draußen auf die vorüberrasenden Häuser.
    Minuten später taucht er in eine Unterführung ein und biegt kurz darauf in die Schweigaards gate ab. Dort schaltet er das Blaulicht und die Sirene aus, nimmt den Fuß aber nicht vom Gaspedal. Über sein Handy informiert er sich fortlaufend, wo sich der Rest der Einsatztruppe befindet und wer welche Aufgabe übernimmt, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Ein Stück vor ihnen sehen sie mehrere
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