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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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er Arild Gjerstad und sagt ihm, was geschehen ist. Danach ruft er Fredrik Stang an und bittet ihn, im Kraft & Respekt anzurufen, um zu erfahren, wo Gunhild Dokken steckt, falls sie nicht zu Hause ist. Er versucht, Juul zu erreichen, wird aber direkt auf die Voicebox weitergeleitet. Brogeland kann sich nicht daran erinnern, dass das jemals zuvor geschehen ist.
    Zwanzig Minuten nachdem Nora Klementsen ihn angerufen hat, parkt Brogeland ein und trifft sie vor dem Eingang des Hauses Seilduksgaten 5.
    »Haben Sie inzwischen etwas von ihm gehört?«
    »Nein.«
    Brogeland drückt Juuls Klingel, ohne Ergebnis. Als er überall klingelt, reagieren gleich mehrere Hausbewohner. Er öffnet die Tür und betritt das Treppenhaus, in dem es nach Katzenurin und Müll stinkt. Auf dem Weg in den Hinterhof bemerkt er, dass Nora Klementsen zurückbleibt und schließlich ganz anhält.
    »Was ist los?«, fragt er. Nora Klementsen ist blass und starrt ausdruckslos vor sich hin. »Was ist los?«, wiederholt Brogeland, muss aber zu ihr zurückgehen, um zu ihr durchzudringen.
    »Das … was damals geschehen ist … Es war da drüben …«, sagt sie.
    »Was?«
    »Jonas«, fährt sie mit apathischer Miene fort. »Da vorn«, sagt sie und streckt den Arm aus, ohne das Gesicht zu heben. Brogeland folgt ihrem Zeigefinger mit dem Blick und sieht eine Kiesfläche, auf der ein zusammengezimmertes Tor ohne Netz steht. Eine Rutsche führt von einer Treppe hinunter auf den Kies. Etwas weiter hinten sind Platten zu erkennen. Darüber befindet sich ein Balkon.
    Er dreht sich wieder zu Nora um. Einen Moment lang erwägt er, sie zu fragen, warum Henning nach dem Unfall ausgerechnet hierhergezogen ist, aber vermutlich wird sie diese Frage nicht beantworten können. Außerdem ist jetzt nicht die Zeit für solche Überlegungen.
    »Ich komme nach«, sagt sie leise.
    Brogeland hastet zur nächsten Tür, drückt auf sämtliche Klingelknöpfe und wird bald darauf eingelassen. Er stürmt die Treppe hoch und hört Nora hinter sich, ehe unten die Tür ins Schloss fällt. Ein paar Türen öffnen sich, neugierige Blicke folgen ihm, doch Brogeland ignoriert sie. In der dritten Etage klopft er an, erhält aber keine Antwort. Er legt die Hand auf die Klinke, aber die Tür ist verschlossen. Brogeland versucht noch einmal, Henning über sein Handy zu erreichen, als Nora zu ihm aufschließt. Er legt den Zeigefinger an die Lippen, sie bleibt stehen.
    Kein Laut.
    »Scheiße!«, sagt er leise und beendet den Anruf. »Sie haben nicht zufällig einen Schlüssel?«
    »Ich?«
    Brogeland sieht sich ratlos um, bevor er eine andere Nummer wählt. Nora sieht ihn an, während er auf eine Antwort wartet.
    »Hier spricht Hauptkommissar Bjarne Brogeland vom Osloer Dezernat für Gewaltverbrechen. Ich befinde mich in der Seilduksgaten 5 in Grünerløkka. Ich brauche Hilfe, um eine Tür zu öffnen, und das so schnell, wie es nur eben geht!«
    113
    Gunhild Dokken sieht Henning Juul, der mit blutendem Schädel auf dem nassen, aufgewühlten Boden liegt, verächtlich an. Sie schiebt sich die nassen Haare aus der Stirn, tritt einen Schritt näher und stößt den Spaten in die Erde. Der ist tot, denkt sie. Der Regen spült ein bisschen von dem Blut weg, das aus der klaffenden Wunde in seinem Kopf rinnt. Sie lächelt zufrieden und blickt sich um. Es ist niemand in der Nähe.
    Eigentlich hätte sie ihn noch fragen wollen, wie er herausgefunden hatte, wo die Axt war, aber das ist jetzt auch egal. Man kann im Leben nicht alles bekommen, denkt sie. Immerhin hat sie es geschafft, ihn rechtzeitig zu stoppen. Gib dich damit zufrieden, denkt sie. Move on .
    Unmittelbar nachdem er im Kraft & Respekt die blöden Bemerkungen über die Uhr und ihr T-Shirt gemacht hat, ist sie aufgebrochen. Sie hat sich nicht einmal die Zeit genommen, nach Hause zu fahren und sich eine Waffe zu holen, sondern ist ihm direkt gefolgt. Wäre da nicht der alte, halb nackte Knacker in Juuls Treppenhaus gewesen, hätte sie die Sache schon dort zu Ende gebracht. Sie hätte bloß klingeln und sich in seine Wohnung drängen müssen. Das wäre einfacher gewesen. Jetzt musste sie sich mit dem Spaten begnügen, den sie auf dem Friedhof gefunden hat.
    Aber wohin mit der Leiche?
    Daran hättest du vielleicht denken sollen, bevor du ihn niedergeschlagen hast, denkt sie, aber wenn man improvisieren muss, gibt es selten optimale Lösungen. Ihn unbemerkt vom Friedhof schaffen kann sie nicht, wie schlecht das Wetter auch sein mag.
    Es ärgert sie,
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