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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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der Hand mehr Erde beiseite, bis Teile der Klinge sichtbar werden. Konzentriert gräbt Henning weiter, darauf bedacht, den Fund nicht zu beschädigen. Mit ein wenig Glück haben sie nun, was sie brauchen.
    Henning will sich wieder aufrichten, als er eine Bewegung hinter sich wahrnimmt. Er fährt herum. Aber er sieht nur etwas Großes, das in rasender Geschwindigkeit auf ihn zukommt. Dann hört er einen Knall, und alles wird schwarz.
    112
    Bjarne Brogeland streckt die Beine auf dem Sofa aus. Alisha sitzt auf dem Boden neben dem Couchtisch und hat ein Plastikspielschloss aufgebaut, das Oda Marie nach Kräften zu zerstören versucht. Aber Bjarne hat einfach nicht die Kraft, sie zu bändigen, er will einfach nur die Augen schließen und schlafen.
    Sein Vater hat auch immer auf dem Sofa seinen Mittagsschlaf gemacht, ein Bein auf der Rückenlehne. Kaum lag er, hörten sie auch schon sein leises Schnarchen. Brogeland weiß noch genau, dass er sich als kleiner Junge immer gewünscht hat, sein Vater möge aufstehen und mit ihm spielen, was er aber so gut wie nie tat. Und jetzt verhielt er sich genauso.
    »Willst du einen Kaffee, Schatz?«, fragt Anita aus der Küche.
    »Nein, danke.«
    Eine rosa glänzende Puppe schlägt mit lautem Knall auf dem Fußboden auf. Brogeland wirft einen Blick auf die beiden Kinder, als Anita ins Wohnzimmer kommt und ihm zu verstehen gibt, dass er Platz machen soll, damit sie sich zu ihm auf das Sofa setzen kann. Er zieht die Beine ein paar Zentimeter an.
    »Du siehst erschöpft aus«, sagt sie und legt ihre warme Hand auf seine Stirn.
    »Ich bin einfach nur müde«, sagt er und versucht, sich nicht aufzuregen.
    »Man darf sich ruhig auch mal eingestehen, erschöpft zu sein.«
    Brogeland blickt auf ihren schlanken Hals und die Kuhle am Ansatz ihrer Brust. Er streichelt über ihre Haut. Sie ist weich und glatt.
    »Kannst du dir nicht ein paar Tage frei nehmen?«, fragt sie. »Es ist gar nicht gut, sich so abzurackern.«
    »Nein, das geht nicht«, antwortet er.
    »Es muss gehen.«
    »Nein, wir sind mitten in …«
    Brogeland wird vom Brummen seines Handys auf dem Couchtisch unterbrochen. Anita sieht ihn missbilligend an, als er aufstehen will.
    »Rutschst du mal ein Stück«, bittet er.
    Widerwillig tut sie, was er sagt. Die Nummer ist unbekannt. Sie könnte aus dem Präsidium sein, wenn es nicht wieder einer dieser aufdringlichen Journalisten ist. Andererseits hat er auch keine Lust, die Diskussion mit Anita fortzusetzen, daher nimmt er das Gespräch schließlich an.
    »Spreche ich mit Bjarne Brogeland?«, fragt eine ängstlich klingende Frauenstimme.
    »Das tun Sie.«
    »Hier ist Nora Klementsen, wir haben schon ein paarmal miteinander gesprochen.«
    Brogeland versucht, der Stimme ein Gesicht zuzuordnen.
    »Ich arbeite bei der Aftenposten «, beginnt sie.
    Brogeland will ihr gerade ins Wort fallen, aber sie kommt ihm zuvor.
    »Ich rufe nicht aus beruflichen Gründen an. Ich bin die Exfrau von Henning Juul. Und ich melde mich bei Ihnen, weil … weil ich mir Sorgen um ihn mache.«
    »Warum das?«, fragt Brogeland und richtet sich auf.
    »Ich habe eben mit ihm telefoniert, als er unvermittelt auflegte. Danach habe ich immer wieder versucht, ihn anzurufen, aber er geht nicht mehr ran. Ich stehe jetzt draußen vor seiner Wohnung, aber auf mein Klingeln reagiert niemand. Ich weiß nicht, ob er gestürzt ist oder ob sonst irgendetwas passiert ist. Sie haben nicht zufällig mit ihm gesprochen?«
    Brogeland zieht die Stirn kraus. »Nein.«
    »Kurz bevor er aufgelegt hat, sagte er, dass er auf Ihren Rückruf wartet und dass er endlich herausgefunden hat, wer hinter all den Taten steht.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Ja.«
    »Und jetzt können Sie ihn nicht erreichen?«
    »Nein.«
    Brogeland bleibt nachdenklich stehen.
    »Okay«, sagt er. »Warten Sie ein paar Minuten, ich rufe Sie zurück.«
    Er beendet den Anruf und überprüft seine eingegangenen Nachrichten. Aus dem Augenwinkel sieht er Anitas Blick. Er ignoriert ihn und öffnet die Nachricht von Henning Juul, aus der nur hervorgeht, dass er seine Voicebox überprüfen soll. Brogeland wählt die Nummer und wartet geduldig darauf, dass die Ansage zum Ende kommt. Dann piept es. Juul klingt aufgeregt, irgendwie aber auch zufrieden. Brogeland zieht sich, das Handy in einer Hand, die Schuhe an, erstarrt aber, als er Hennings Schlussfolgerung hört.
    »Verdammt!«, schimpft Brogeland über sich selbst und springt auf.
    Auf dem Weg nach Grünerløkka kontaktiert
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