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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Don Winslow
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Falludscha der verdächtige Gesichtsausdruck eines Straßenhändlers auffiel, der eine Schusswaffe unter der Jacke versteckt hatte, oder eine seltsame Verwerfung auf dem Boden, unter der sich eine Sprengfalle verbarg. Dieser genaue Blick hat bereits mehreren Menschen das Leben gerettet, auch ihm selbst.
    Jetzt fällt ihm ein junger Mann in dem brechend vollen Zug auf.
    Dem Aussehen nach ist er knapp zwanzig, trägt eine blaue Daunenjacke zur Jeans. Typisch. Aber er hat kein Gepäck – keinen Koffer und keinen Rucksack, obwohl Daves Erfahrung nach die meisten jungen Männer in seinem Alter wenigstens eine Art Rucksack dabeihaben. Keine Ohrstöpsel, kein iPod.
    Dave sieht täglich tausende junge Männer durch den Flughafen strömen. Nur wenige hören keine Musik, lauschen dem eigenen Soundtrack im Kopf. An sich bedeutet das nichts, aber …
    Der junge Mann hat olivfarbene Haut und unter seiner grauen Wollmütze kommt schwarzes Haar zum Vorschein – er könnte aus dem Nahen Osten stammen.
    Okay, das ist ethnisches Profiling, nicht schön, aber leider funktioniert’s. Die neue Strategie der al-Qaida besteht darin, »einheimische« Terroristen zu rekrutieren – muslimische Einwanderer oder Konvertiten. Der junge Mann hier könnte beides sein.
    Dave sieht den Zug an Terminal 4 halten, der Mann steigt aus, dann gehen zwei weitere junge Männer – mit Rucksäcken und iPods – auf ihn zu.
    Gelächter und High Fives.
    Freunde, die sich voneinander verabschieden oder jemanden abholen.
    Dave überprüft noch ein paar weitere Monitore und geht dann runter in den Terminal. Monitore sind super, aber er will sich lieber persönlich ein Bild machen. Und es gibt noch einen anderen Grund – von den tausenden Menschen heute am Flughafen ist Dave einer der wenigen, der schon einmal einem Terroristen in die Augen gesehen hat.
    Hassan Al Hulwah greift in seinen Rucksack, öffnet den 22-Liter-Beutel mit Flüssigerdgas und macht sich bereit, das Ding zu zünden.
    Er zwingt sich zu warten.
    Bei der Übergabe des Rucksacks hatten ihm die Genossen erklärt, er solle warten, bis er richtig drin sei in Terminal 4, unter den Schaltern der El Al, der Fluggesellschaft der verhassten Zionisten.
    Ein dreifacher Schlag.
    Gegen die Juden.
    Gegen die Amerikaner.
    An ihrem heiligen Festtag.
    Flüssigerdgas, kurz LNG – Liquefied Natural Gas –, besteht zu neunzig Prozent aus Methan. Und ist hochentzündlich.
    LNG ist in flüssigem Zustand nicht explosiv. Wenn es aber mit Luft in Berührung kommt, entsteht eine Dunstwolke, und der kleinste Funke genügt, um ein Feuer zu entfachen, das so heiß ist, dass Stahlträger noch auf vierhundert Meter Entfernung einfach einknicken. Auf tausendfünfhundert Meter Entfernung verursacht es auf ungeschützter Haut immerhin noch Brandwunden zweiten Grades.
    Ein Terminalgebäude und alle, die sich darin befinden, würden schmelzen.
    Einen Augenblick lang denkt Hassan an die Menschen, die sterben werden – nicht nur Männer, auch Frauen und Kinder. Dann wappnet er sich mit Abdullahs Lehre, dass alle Opfer im Tod gerecht entlohnt werden – die Unschuldigen kommen direkt ins Paradies, nur die Schuldigen fahren zur Hölle.
    Noch wenige Sekunden, denkt Hassan, dann bin ich ein s hahid , ein Märtyrer.
    Er riecht Blumen.
    Die verheißenen Rosen des Paradieses.
    Dave hat den jungen Mann aus dem AirTrain entdeckt.
    Jetzt hat er einen Rucksack und zwar vor sich, vor der Brust. Und seine Hände sind im Rucksack, er fingert an etwas herum.
    »An alle Sicherheitskräfte«, meldet Dave über Funk, »Crash. Crash. Alle Einheiten Terminal 4, Ankunftshalle.«
    Während Dave sich durch die Menge schiebt, laufen verdeckte Marshals mit ihm los.
    Sie werden es nicht schaffen.
    Dave zieht die Glock, schießt aber nicht. Zu viele Leute sind im Weg. Er schiebt sich weiter durch die Menge, brüllt: »Runter! Runter! Flach auf den Boden!«
    Die Menschen schreien.
    Dave wirft eine Frau zu Boden.
    Der junge Mann sieht ihn.
    Und bedenkt Dave mit dem seltsamsten Lächeln, das dieser je gesehen hat.
    Heiter.
    Triumphal.
    »Stop!«, brüllt Dave und zielt auf den Kopf des Jungen. »Hände hoch und nicht bewegen!«
    Hassan reißt sich den Rucksack von der Brust, kippt ihn aus, so dass der Inhalt zu Boden fällt. Dave riecht das Gas. Auch die Menschen im Terminal riechen es, schreien und laufen weg.
    Dann zieht Hassan ein Feuerzeug aus der Tasche.
    Wenn er es anzündet, fliegt der Terminal in die Luft.
    Dave hat nur eine Chance.
    Er muss den
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