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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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nennen. Aber wehe wenn sie größer werden, die Nachwuchs-Tiere! Was
dann? Wohin damit — bei dem Platzmangel? Auswildern — wäre eine Methode, die
dem Artenschutz entspricht. Geht aber nicht. Denn für viele Tierarten sind
keine geeigneten Biotope, keine Lebensräume, mehr vorhanden. Oder unerreichbar
— aus Kostengründen. Also bleibt nur das — Töten. Und diesen Widersinn
akzeptieren wir Tierschützer nicht. In Zoos werden Jungtiere geboren. Sie sind
für kurze Zeit publikumswirksam. Und dann werden sie umgebracht. Nein, nein,
nein!“
    „Ist ja pervers!“, sagte
Klößchen.
    Alle nickten.
    „Bietet der Tierschutz eine
Lösung an?“, fragte Sandra, ein molliges Pummelchen mit lebhaften
Sommersprossen. „Ich meine, fortpflanzen müssen sich die Tiger, die Löwen, die
Bären. Wenn man diesen natürlichen Trieb unterdrückt, werden sie krank. Das ist
wie... äh... wie bei den Menschen.“
    Astrid, Nadine und Klößchen
grinsten. Die andern blieben ernst.
    Vera nickte. „Was du sagst,
stimmt, Sandra. Und allein damit ist erwiesen, wie grausam und sinnlos die
Gefängnishaltung der Tiere ist. Lässt man ihnen ihr natürliches Bedürfnis, muss
man anschließend die Folgen beseitigen. Das heißt, den Nachwuchs töten. Schlimm
genug, dass das mit Schlachttieren geschieht. Aber für Zoo-Tiere, die gehalten
werden um die Besucher zu erfreuen, kann’s das wohl nicht sein. Freiheit für
alle Tiere, die Auflösung von Zoo und Zirkus wäre die beste Lösung. Davon sind
wir natürlich Lichtjahre entfernt. Deshalb schlagen wir, der Tierschutz, die
zweitbeste Lösung vor: die Sterilisation, die Unfruchtbarkeit durch operativen
Eingriff. Dann wird die Giftspritze für kleine Tiger, kleine Löwen und
Luchs-Babys überflüssig. Denkt nur daran, wie viele Hauskatzen und Hündinnen
sterilisiert sind! Denen geht es pudelwohl — auch ohne Nachwuchs. „
    Karl rückte an seiner
Nickelbrille. „Ich betrete keinen Zoo mehr — solange dort Tierbabys getötet
werden.“
    Beifälliges Gemurmel.
    Boykott, dachte Tim, also
ächten und die eigene Teilnahme verweigern, ist zwar durchaus ein Mittel. Aber
es wirkt nur, wenn’s alle tun. Ist mir zu passiv. Besser, wir gehen auf die
Barrikaden. Aber wie?
    Vera war noch nicht fertig,
weitete das Thema aus — obwohl es null Fun oder Frohsinn enthält, eine
Geburtstags-Fete also durchaus belasten kann. Aber Claudia machte das nichts
aus. Sie war das gewöhnt und stimmte völlig überein mit ihrer Mutter.
    „Weil ich da in vorderster
Linie streite“, sagte Vera, „gerate ich natürlich mit den übelsten Typen
zusammen. Ich meine nicht die Zoo-Direktoren, die letztendlich die Tötungen
veranlassen. Diese Tiergarten-Manager sind unbestritten verantwortungsbewusst.
Die Bauch- und die Kopf-Entscheidungen stimmen da oft nicht überein. Und die
Leute machen innerlich einen schmerzhaften Spagat. Im Moment habe ich mit
Siegfried Otterfeint zu tun. Und der ist das Letzte.“
    Tim ahnte, zu welcher Branche
der gehörte. „Ein Tierverwerter, ja?“
    „Er nennt sich Tierhändler.“
    „Da kenne ich welche, die sind
echte Tierfreunde — und handeln auch so.“
    „Der aber nicht, Tim.
Otterfeint ist ein skrupelloser Geschäftemacher. Tiere sind für den nur ein
Stück Fleisch auf dem Teller.“
    „Siegfried Otterfeint heißt
er?“ In Gedanken hatte Tim den Namen notiert. „Einwohner unserer Stadt?“
    „Leider ja.“
    „Was sind seine speziellen
Untaten?“
    „Du musst wissen, Tim: In
Deutschland dürfen nur solche Tiere getötet werden, die zum Verzehr gezüchtet
wurden. Oder die krank sind. Nicht so in anderen europäischen Ländern, zum
Beispiel in Belgien. Dort in dem Ort V. gibt es ein Schlachthaus, in dem es
unvorstellbar grausam zugeht. Jedes Jahr werden dort mehr als 500 Zootiere
angeliefert — Bären, Löwen, Tiger, Luchse und andere. Die sind ausgewachsen,
aber überschüssig. Heimlich, bei Nacht und Nebel werden sie von Typen wie
Otterfeint dorthin gebracht. Zur Verwertung. Man verwertet das Fleisch — damit
werden so genannte Feinschmeckerlokale beliefert, die Tiger-Gulasch und
Bärensteaks auf der Karte haben — und man verwertet das Fell. Damit das
möglichst im Ganzen erhalten bleibt, also kein größeres Einschussloch aufweist,
werden die Tiere mit kleinem Kaliber erschossen. Der Tod ist dann nicht rasch
und schmerzlos, sondern eine Qual von mindestens einer halben Stunde. Kein Thema
für Otterfeint. Er verkauft. Er sammelt überschüssige Zootiere ein — und ab
damit
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