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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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nach Belgien.“
    „Mit rechtlichen Mitteln kann
man ihm nicht den Kragen verengen?“, fragte Karl.
    Vera schüttelte den Kopf. „Wenn
der sich ins Unrecht setzt, dann nur so, dass er mich als Viecherzicke
beschimpft.“

    „Aus so einem Munde ein tolles
Kompliment, Mami“, sagte Claudia.
    Alle lächelten. Nur Tim grinste
und zwar wölfisch — wie das nur der Leitwolf eines Rudels kann, bevor er
endgültig gefährlich wird.
    „Um Otterfeint kümmern wir uns,
Frau Brings.“
    „Lieber nicht, Tim. Der Kerl
ist knallhart und hat Einfluss.“
    „Dann macht’s doch erst richtig
Spaß.“
    Vera seufzte. „Der Mann ist
kriminell. Sein Bruder übrigens auch. Und der ist sozusagen unser Nachbar.“
    „Aber ihr habt doch gar keinen
Nachbarn“, meinte Nadine verwundert.
    Sie war schon 16, also nach
Vera Brings die Älteste und echt hübsch mit ihrem kirschroten Haar und den
Brombeeraugen. Der linke Mundwinkel hing heute etwas, weil die
Betäubungsspritze des Zahnarztes noch wirkte. Nadine hatte am späten Nachmittag
eine schmerzhafte Bohrung überstanden — wegen Schmerzempfindlichkeit aber eben
nur mit der örtlichen Betäubung.
    Stimmt!, dachte Tim. In
Richtung Noah-Straße ist nur Wiese. Nördlich ein unbebautes Grundstück.
Dahinter das Vereinsgelände vom FC Zwietracht. Die waren sogar mal deutscher
Meister — in den Zwanzigerjahren. Sind seitdem nur noch abgestiegen, treten
aber immer noch ans runde Leder. Wahre Leidenschaft fängt eben im Kopf an. Und
wer da nichts hat, hat’s in den Beinen.
    „Gott sei Dank kein direkter
Nachbar“, erwiderte Vera. „Aber immerhin der nächste Anwohner - und Zoo-Anrainer.
Ich meine den Bungalow in der Noah-Straße. Ist dort das einzige Haus. Wir sind
hier das Einzige. Die Ecke vom Zoo liegt dazwischen. Man sieht sich nicht. Aber
wenn ich dort vorbei gehe oder fahre, spuckt Bruno Otterfeint in meine
Richtung. Er weiß, dass ich Vorwürfe gegen seinen Bruder erhebe.“
    „Vorwürfe aus ethischen
Gründen, nehme ich an“, sagte Tim.
    Vera nickte. „Rechtlich haben
wir nichts in der Hand. Wir können nur menschlich/moralisch argumentieren.“
Sind oft die besten Argumente, dachte Tim. Aber sie greifen nur selten. Sie
überfordern die Rechtsprechung. Mit der Folge, dass mancher Zustand zum Himmel
stinkt, aber trotzdem nichts geschieht. Dann muss man eben als
Selbsthilfegruppe Action machen — hart am Rand des Erlaubten.
    Er starrte auf den Grill,
starrte in die Glut. Ein unangenehmes Gefühl wie nach einem Leberhaken entstand
in der Magengegend. Und in diesem Moment wurde Tim abermals bewusst, dass seine
Freundin noch nicht da war, überfällig war seit einer ganzen Weile.
    „Karl, gib mal dein Handy“,
wandte er sich an seinen Freund. „Ich rufe bei Glockners an.“
    „Gaby ist bestimmt unterwegs“,
meinte Klößchen. „Sonst hätte man uns hier verständigt.“
    „Trotzdem!“
    Karl war schon in der Diele, wo
er seinen City-Rucksack abgelegt hatte, und kam mit dem Mobiltelefon zurück.
    Klößchen, der sich eine
karierte Schürze umgebunden hatte, griff nach der Spiritusflasche. Und
schüttete — sozusagen aus voller Pulle — auf die glühende Holzkohle.
    Die Stichflamme schoss
meterhoch. Ein vorbeifliegender Käfer war sofort tot und stürzte ab auf den
Grill. Alle sprangen zurück. Auch Klößchen, der am meisten entsetzt war. Er
stolperte rücklings über einen Korb mit Baguettes und fiel auf den Hintern.

    „Bist du wahnsinnig!“, fuhr Tim
ihn an.
    „’tschuldigung! Ich war ganz in
Gedanken.“ Klößchen kam auf die Füße. „Ich habe an diesen Bruno Otterfeint
gedacht. An dessen Haus muss Gaby vorbei.“
    Die Waberlohe über dem Grill
war in sich zusammengesunken. Kein Schaden außer dem verschmorten Käfer. Tim
nahm Karls Handy und wählte.

3. Ein
Haufen DM
     
    Es ging um Sekunden. Später
würde Gaby sich fragen, woher sie ihre Kaltblütigkeit genommen hatte.
    Umzingelt! Vor ihr der aufgerichtete
Braunbär, an dem kein Vorbeikommen war. Hinter ihr der galoppierende Verfolger,
jetzt ganz nah.
    Links der Stadtwald. Aber dort
wäre ihre Chance null gewesen. Rechts lag die Rettung, nämlich die Toreinfahrt
zu dem Bungalow-Grundstück — dem einzigen Anwesen in der Noah-Straße.
    Gaby riss ihr Bike im rechten
Winkel herum. Wie durch ein Wunder blieb die Zimmerpalme an Bord, legte sich
aber waagerecht in die Kurve.
    Die Einfahrt — sonst
abschottbar mit niedrigem Tor — stand offen.
    Gaby sauste auf die Garage zu,
als wollte sie durch die
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