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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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preschte
los mit rauschenden Reifen. Ihm war übel vor Sorge. Der Gedanke, Gaby könnte
was passiert sein, durfte keine Gestalt annehmen. Nein, unmöglich! Aber er
wusste: Es war möglich. Er fuhr wie ein Irrer. In die Kurve zur Noah-Straße!
    Er konnte sie überblicken auf
voller Länge. Das mochten 800 oder 900 Meter sein. Menschenleer! Kein Wagen.
Keine Gaby. Und auch keine Bären. Nur die einsame Straße, die am Rande des
Stadtwalds entlang führt. Und auf der anderen Seite der hohe Maschendrahtzaun
des Zoo-Geländes mit der blickdichten Hecke.
    Tim sauste an dem Bungalow
vorbei, dem einzigen Haus, wo in diesem Moment ein grauer Mercedes — ein
älteres Modell — aus der Garage rollte. Der Wagen fuhr rückwärts. Nur der
Fahrer als Insasse, wie Tim aus dem Augenwinkel sah. War das Bruno Otterfeint?
Jetzt, dachte Tim, interessiert mich das nicht.

    Weiter! Der Abstand zu Karl und
Klößchen vergrößerte sich.
    Die Angst um Gaby peitschte Tim
vorwärts.
     
    *
     
    Zu spät hatte Gaby erkannt:
Ihre Flucht vor der einen Gefahr hatte sie in eine andere, ebenso große Gefahr
gebracht. Und aus der gab es kein Entkommen. Bruno Otterfeint schnellte hervor
hinter dem mit Geld bedeckten Tisch. Gaby wollte zurück weichen. Aber schon
hatte er sie gepackt. Sie schrie auf. Seine knochige Hand schloss ihr den Mund.
    „Still! Oder ich drehe dir den
Hals um.“
    Sie versuchte, sich zu wehren,
wollte die Selbstverteidigungs-Tricks anbringen, die Tim mit ihr geübt hatte.
Das sind keine fairen Mittel, sondern letzte Maßnahmen in höchster Not. Kniestöße
in den Unterleib, Fingerstiche in die Augen. Theoretisch und im Trockentraining
funktioniert das meistens ganz toll. In lebensbedrohlichen Situationen aber
selten — jedenfalls dann nicht, wenn ein eher zartes Mädchen mit keinerlei
Neigung zur Aggression einem brutalen Kriminellen gegenübersteht. Einem
Kriminellen, der über enorme Kraft verfügt.
    Gabys Gegenwehr verpuffte.
    Bruno Otterfeint griff noch
härter zu.
    Fast, dass Gaby unter seiner
Hand erstickte. Fast, dass ihr der Arm ausgekugelt wurde. Augenblicke später
war sie gefesselt. Ein Knebel ließ nur stöhnende Laute zu. Außerdem wurden ihr
die Augen verbunden.
    Dabei fluchte Otterfeint
unentwegt vor sich hin, murmelnd, zischend.
    Gabys Herz schlug rasend vor
Angst. Sie wollte cool bleiben, aber das Tuch über ihren Augen wurde feucht auf
der Innenseite. Tränen. Ich heule vor Wut, sagte sie sich. Die Bären sollen
diesen Kerl in Stücke reißen — oder wenigstens ohrfeigen. Aber so, dass er sich
selbst nicht mehr kennt. Was hat der vor? Was will der machen? Ist es wegen des
Geldes? Sein Sparstrumpf ist das nicht. Nein, das ist Beute. Und ich hab die
gesehen. Ich bin Zeugin. Ich, die Tochter vom Kommissar.
    Ihr war elend zu Mute.
    Sie hörte ihn rumoren. Offenbar
packte er das Geld zusammen. Das Schloss eines Koffers schnappte zu.
    Gaby lag auf dem Boden, wurde
jetzt hochgenommen — mühelos — und hinausgetragen.
    Da sind doch die Bären!, wollte
sie sagen. Aber der Knebel erstickte die Worte zu einem unverständlichen
Grummeln.
    Bruno blieb stehen. Der eine
Arm wurde gestreckt. Offenbar öffnete der Kerl das Garagentor. Waren die Bären
abgezogen?
    Kofferraum auf! Gaby wurde
hineingelegt. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Aber sie konnte sich
an der Seitenwand etwas aufrichten. Vergebens. Bevor der Kerl den Deckel
schloss, zog er sie an den Füßen in liegende Position.
    Wie stickig und heiß dieses
Gefängnis war! Lange kann ich’s hier nicht aushalten!, schoss es ihr durch den
Kopf. Ich komme um. Ich ersticke.
    Bruno lief ins Haus zurück.
Holte er den Geldkoffer? Offenbar. Denn etwas Schweres wurde auf den Rücksitz
geworfen.
    Dann hörte Gaby, wie sich der
Kerl mit ihrem Bike beschäftigte. Es klang, als stelle er es auf und die
Zimmerpalme samt Topf auf den Gepäckträger.
    Schritte entfernten sich.
    Gaby begriff: Bruno brachte
Bike und Palme woanders hin — vermutlich irgendwo an den Waldrand, weit genug
weg von seinem Haus, damit die Spur nicht hierher wies.
    Es dauerte. Dann war er zurück.
Er stieg ein, der Motor wurde gestartet. Rückwärts rollte der Wagen aus der
Garage.

5. Tims letzte Rettung
     
    Zweierlei sah Tim fast
gleichzeitig. Und zusammen war das die Katastrophe-hoch-hundert.
    Links im Zaun war eine
gewaltige Bresche, verursacht von Bärenkräften — buchstäblich.
    Ziemlich genau gegenüber auf
der anderen Seite der Straße, unter den ersten Bäumen des Stadtwalds —
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