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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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sich um den
männlichen Bären — sah das anders. Vielleicht erinnerte Tim ihn an einen
Pfleger, den er nicht leiden konnte. Oder er gehörte zu den intoleranten,
fremdenfeindlichen Bären, die grundsätzlich was gegen Zweibeiner haben.
    Jedenfalls setzte er sich in
Bewegung, rannte auf Tim zu — und das nicht in freundlicher Absicht.
    Tim schnellte zum Eichenstamm.
Dabei war ihm klar, dass der für eine Kletterstange viel zu umfangreich war,
nämlich dick wie ein Fass, und dass er andererseits für einen Kletterbaum keine
— oder kaum — Griffmöglichkeiten bot. Die dünnen Triebästchen hielten nicht
viel aus.
    Am Stamm! Tim schnellte hoch im
Sprung und erwischte zwei Ästchen. Der linke riss ab. Der rechte hielt. Tim
fasste links einen zweiten, etwas höher, und versuchte, sich mit den Füßen
abzustützen. Tatsächlich geriet eine Fußspitze in ein Astloch.
    Weiter! Tims Hände wirbelten.
Die meisten Äste brachen oder rissen aus dem Stamm, während er sich hinauf
arbeitete. Blitzschnelle Griffe waren erforderlich. Er musste loslassen, bevor
der Halt nachgab, musste schon den nächsten erreicht haben.
    Als der Bär anlangte, befanden
sich Tims Füße etwa zweieinhalb Meter über dem Boden.
    Meister Petz richtete sich auf,
brummte böse. Seine Tatze schlitzte Tims Jeans unten auf, aber ohne die Haut zu
ritzen.

    Weiter! Mistvieh!
    Tims linker Turnschuh wurde abgestreift.
Die Schnürsenkel rissen wie gekochte Spaghetti.
    Der TKKG-Häuptling fasste einen
etwas stärkeren Fremdast — den mädchen-handgelenk-dünnen Ableger einer Buche.
    Einarmiger Klimmzug — und der
TKKG-Häuptling war nicht mehr in unmittelbarer Gefahr.
    Igors Tatze schlug ins Leere.
Immerhin hatte sich der Bär zu seiner vollen Größe aufgerichtet, blickte zu Tim
herauf und bewegte schnüffelnd die Nase.
    Tim hatte die Plattform auf dem
Baumstumpf noch nicht erreicht, kletterte jetzt ruhiger und wäre zweimal um
Haaresbreite abgerutscht. Denn weiter oben waren die schmarotzenden Fremdäste
noch schwächer als in der unteren Hälfte. Außerdem war der Stamm im oberen Teil
verwittert, zundermorsch und bröcklig. Als Tim die Hand in einen Spalt zwängte,
brach ein großes Stück heraus. Es fiel hinunter und traf Igor am Kopf. Für den
war das nicht härter als eine Streicheleinheit. Aber es verstärkte den Ärger.
Der Bär hieb gegen den Stamm. Borke und Holzsplitter flogen. Und in das Brummen
mischte sich ein böses Geifern.
    Endlich am Ende der
Fahnenstange, bzw. der Baumleiche.
    Tim atmete auf und schob sich
auf die vermeintliche Plattform. Aber hier hatte keine Motorsäge für ebene
Fläche gesorgt, sondern der Blitzeinschlag eine willkürliche Bruchstelle
produziert. Die war nicht nur uneben, sondern regelrecht spitz. Drei Spitzen
wiesen in den Abendhimmel, der sich allmählich bedeckte. Eine brach weg wie
Pappe. Die beiden anderen hielten. Tim konnte einen Oberschenkel dazwischen
platzieren und saß jetzt so unbequem wie der sprichwörtliche Affe auf dem
Schleifstein.
    Egal! Gerettet!
    Er sah hinunter.
    Verdammt! Der Bär versuchte,
heraufzuklettern. Er hatte den Stamm umarmt. Tim vermeinte das Zittern im Holz
zu spüren. Doch Igor rutschte ab. Und gab auf.
    Stattdessen entdeckte er Tims
Turnschuh. Der wurde beschnüffelt, aber als ungenießbar eingestuft und dann
nicht weiter beachtet.
    In diesem Moment bemerkte Tim
eine Bewegung auf dem Trimmpfad. Und richtig! Links aus dem Wald trabte eine
Joggerin hervor, eine junge Frau im gelben Trainingsanzug. Hinter ihr lief eine
Zweite, mittelblau gekleidet.
    „Halt!“, brüllte Tim und sah,
wie die beiden erschraken. „Kehren Sie um! Schnell! Hier ist ein Bär. Ein
gefährliches Raubtier. Laufen Sie zurück! Und dann hoch auf den nächsten Baum!“
    Die Frauen waren stehen
geblieben. Die Entfernung betrug keine 50 Meter. Beide trugen Baseballmützen
und waren nur mäßig in Form, atmeten jedenfalls heftig, obwohl sie ziemlich
langsam getrabt waren.
    Der Bär hatte sie noch nicht
bemerkt, wandte ihnen den Rücken zu, wieder aufgerichtet am Stamm, ließ sich
aber in dieser Sekunde auf die Vordertatzen fallen.
    Eine der Frauen quiekte vor
Schreck. Was Blöderes konnte nicht passieren.
    Igor schnallte sofort, dass er und
Tim nicht die Einzigen im Wald waren, und wandte sich um mit graziöser
Schnelligkeit.
    Die Joggerinnen hatten reagiert
und verschwanden bereits unter den Bäumen — mit vierfachem Tempo. Aber die
modischen Anzüge leuchteten wie gekennzeichnetes Bärenfutter und Meister
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