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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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Petz
setzte nach.
    Tim brüllte sofort wie ein
Jaguar, hoffte Igors Interesse damit wieder auf sich zu lenken. Außerdem
trennte sich der TKKG-Häuptling von dem verbliebenen Turnschuh, streifte ihn
blitzschnell ab und warf damit. Zielgenau traf er den Bären im Genick. Auch das
war keine waidmännische Attacke. Aber sie hatte Erfolg. Igor stoppte für einen
Moment und blickte sich nach dem vermeintlichen Jaguar um, der ihn ins Genick
getupft hatte.

    „uuuuuu-aaaaaaa-hhhhh!
krrrrrrrrr!“
    Tim kam sich vor wie ein Idiot!
Außerdem hatte er keine genaue Erinnerung an das Gebrüll der Großkatzen.
    Immerhin bewirkte sein Theater,
dass der Bär mehrere Sekunden verharrte — Sekunden, die hoffentlich lebensrettend
sein würden für die beiden Frauen.
    Dann jedoch erinnerte sich Igor
an das fliehende Wild — das in Gelb und das in Blau. Er stürmte los. Die Tatzen
warfen Erdbrocken nach hinten. Igor war viel schneller als die Frauen und würde
sie einholen.

6. Sigi und
Bruno, der Abschaum
     
    Eckhofer Allee 73 war eine
Adresse in einer Gegend, wo die Anwohner gern unter sich bleiben: Abgeschirmt
gegen das Gesindel der Millionenstadt — gegen Diebe, Streuner, Drogenabhängige,
Einbrecher oder nur jene, die nicht im Wohlstand leben und aus diesem Grund
Hassgefühle entwickelt haben, die ausgelebt werden mit heimlicher, bösartiger
Zerstörung. Mancher Nobelwagen, der in der Eckhofer Allee parkt, wird
zerkratzt. Reifen werden zerstochen und alles Übrige beschädigt. Manchmal
fliegen nachts auch Steine über Mauern und Hecken. Wenn nur Scheiben
zerbersten, ist das noch glimpflich.
    Die Anwesen sind groß. Und
blickdicht abgegrenzt voneinander. Kein Nachbar guckt dem anderen auf den
Teller. Tore, die sich elektronisch öffnen, verschließen die Einfahrt. Die
Anwohner haben gepolsterte Konten und nicht nur in Deutschland. Man gehört zum
,alten Geld’; Neureiche, die in verdächtiger Weise zu ihrem Wohlstand gelangt
sind, findet man nicht in der Eckhofer Allee — bis auf einen.
    Siegfried Otterfeint, der
Tierhändler, hatte Nr. 73 vor vier Jahren gekauft — von einem verwitweten
Bankier, der im hohen Alter geistig so abgebaut hatte, dass ihm alle Maßstäbe
abhanden kamen. Er ließ sich sein Anwesen weit unter Preis abschwatzen und zog
sich zurück in ein Altersheim, wo er aus Comic-Heften Figuren abmalte und bald
niemanden mehr erkannte.
    In den vier Jahren hatte
Siegfried nur selten einen Nachbarn gesehen. Gesprochen nie. Für die war er
Luft, ein unerwünschter Eindringling, ein Hundehaufen auf dem Orientteppich.
Diese Missachtung ärgerte ihn zwar, aber er konnte damit leben.
    Jetzt, um 18.42 Uhr stoppte
Bruno Otterfeint seinen grauen Mercedes vor dem fast antiken Eisentor und ließ
dreimal die Hupe tönen. Natürlich gab’s eine Klingel am Steinpfeiler. Aber
Bruno wollte nicht aussteigen.
    Siegfried war zu Hause. Er war
Single — sieht man ab von drei Beziehungen zu drei Frauen, die voneinander
nichts wussten. Die eine wohnte in Bielefeld, die andere in Jena, die dritte in
Bamberg. Siegfried kam manchmal mit den Kosenamen, die er ihnen angeheftet
hatte, durcheinander. Aber das fiel nicht auf.
    Jetzt saß er — mit einem großen
Glas Wodka — vor der Glotze und zog sich ein schwachsinniges Vorabend-Programm
rein, dem der Bankier im Altersheim durchaus hätte folgen können.
    Siegfried hob den Kopf, als er
das Hupsignal hörte. Er kannte die Töne. Sein Bruder kam mal wieder vorbei.
Bruno stand ihm zwar charakterlich nicht nach, besaß aber nicht Siegfrieds
vielseitiges Geschick. Der verdiente nicht nur an Tieren, sondern auch an
Menschen. Und überhaupt: Er scherbelte auf jede Weise, die ungesetzlich, also
besonders einträglich war.
    Siegfrieds Fernbedienung
öffnete das Tor.
    Er ging hinaus und trat auf den
Hof neben der alten Zwölf-Zimmer-Villa. Sie war modernisiert worden, besaß
jeden Komfort, hatte ein kleines Hallenbad als Anbau — gartenseitig — und eine
große Garage für vier Wagen zum Hof hin. Siegfried verfügte über drei
Fahrzeuge. Und wollte sich demnächst ein schweres Motorrad kaufen, zögerte aber
noch wegen seiner Bandscheiben. Er hatte vor Jahren einen selbst verschuldeten
Unfall gehabt und litt häufig unter Rückenschmerzen.
    Bruno stoppte seinen Mercedes
vor dem Garagentor, sprang aus dem Wagen und hielt warnend den Zeigefinger über
die Lippen. Er kam eilig heran, verkrampft das kantige Gesicht.
    „Pst!“, flüsterte er. „Ganz
leise reden.“
    „Hallo, Bruno! Spinnst
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