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Vergangene Narben

Vergangene Narben

Titel: Vergangene Narben
Autoren: Stefanie Markstoller
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Haut, und das hatte nichts mit dem Hemd an meinem Leib zu tun – das, das ich von Cio zum Geburtstag bekommen hatte. Klar, an den tiefen Ausschnitt müsste ich mich erst noch gewöhnen, aber wirklich mulmig wurde mir von dem Verhalten meines Vaters. Dieses Abwesende. Körperlich saß er neben mir, doch geistig schien er in einer ganz anderen Welt zu weilen. „Im letzten halben Jahr ist eine Menge geschehen“, sagte er leise. Sein Blick war dabei auf eine kleine Spinne gerichtet, die in den blühenden Rosensträuchern vor dem Eisenzaun ihr Netz webte.
    Ich betrachtete die Sache eher misstrauisch. Das Vieh sollte mir bloß fern bleiben.
    „Früher gab es Momente, in denen ich glaubte, dass alles würde niemals ein Ende finden. Besonders nachdem meine Schwester Vivien damals verschwunden war, brach für mich eine Welt zusammen.“ Er warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er ihn seufzend senkte. „Doch selbst aus dieser Tragödie ist noch etwas Gutes entstanden. Nicht nur das ich meinen Weg zu den Drachen fand, und mein Leben endlich einen Sinn zu haben schien, ich lernte auch Cheyenne kennen. Zwar wurde auch diese Liebe … diese Geschichte am Ende zu einer Tragödie, doch trotz allem sind auch hieraus zwei gute Dinge entstanden, die mein Leben nicht nur bereichern, sondern es auch lebendwert gemacht haben.“
    „Du redest von Mama und mir.“
    Er nickte. „Ja, denn nur durch Cheyenne habe ich Tarajika kennengelernt. Vielleicht wäre es mir früher oder später auch ohne sie gelungen, doch dich hätte es dann niemals gegeben.“ Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite, als er den Blick wieder auf mich richtete. „Damals ist so viel geschehen, und nachdem Cheyenne mit Nicolaj aufs Schloss zurückgekehrt ist, hab ich mich von allem und jedem zurückgezogen. Deswegen glaube ich heute auch, dass es sowas wie Schicksal war. Ich habe Cheyenne nach all den Jahren noch einmal treffen müssen, und mich trotz des Wissens, dass es wieder nach hinten losgehen könnte, auf sie eingelassen. Damals habe ich mich an etwas geklammert, das ich längst verloren hatte, in der Hoffnung, dass zurückzubekommen, was mein Leben meiner Meinung nach lebenswert machte.“
    „Daran ist nichts Verwerfliches.“
    „Nein, das stimmt wohl. Und auch wenn nach der erneuten Trennung von Cheyenne etwas in mir zerbrochen ist, bin ich heute dennoch froh es getan zu haben. Das Schicksal hat alles arrangiert, damit ich dich mit nach Hause nehmen konnte.“ Er lehnte sich zurück. „Was ich eigentlich sagen will, unsere Entscheidungen bestimmen unser Leben, und wir wachsen nicht nur an unseren Erfahrungen, sie prägen uns auch. Das Leben zeichnet einen eben. Cheyenne, Tarajika und ich hatten das früh lernen müssen, und weil ich wusste, wie schwer es manchmal sein konnte, habe ich versucht dich vor dieser Welt zu schützen.“ Er schnaubte. „Nur leider sind alle Versuche sinnlos, wenn das Schicksal nicht mitspielt.“
    Oder man eine sehr dickköpfige Tochter hatte. „Du meinst also, das alles war vorbestimmt?“
    „Vielleicht.“
    Da ich an so ein abergläubisches Zeug nicht glaubte, bezweifelte ich seine Worte einfach mal.
    „Wahrscheinlich fragst du dich, warum ich dir das alles erzähle, obwohl du es schon weißt.“
    „Naja, ich denke, du hast gerade einfach das Bedürfnis ein wenig zu quatschen.“
    Mein Vater schnaubte belustigt, und richtete seinen Blick auf die große Eiche, die direkt neben dem Eingang des Hauses wuchs. Auf den ersten Blick war an ihr nichts Ungewöhnliches. Erst wenn man genauer hinsah bemerkte man, dass der Ast, der da so seltsam runterhing in Wirklichkeit ein gefleckter Schwanz war. Mama lag in diesem Baum, und beobachtete uns. Ich konnte die Lichtspiegelungen aus den beleuchteten Fenstern in ihren Augen sehen.
    „Weißt du, was wir in unserem Leben erreichen hängt sehr viel von unseren Entscheidungen ab.“ Er nahm seinen Blick vom Baum, und richtete ihn auf mich. „Du und Cio, auch ihr trefft Entscheidungen, die eure Zukunft beeinflussen können. Wenn ihr allein seid …“
    „Stopp.“ Hastig gab ich ihm das Zeichen für eine Auszeit. Die Richtung in die das Gespräch plötzlich ging, wollte ich mit meinem Vater
nicht
einschlagen. „Du willst mit mir jetzt doch nicht wirklich über Sex sprechen, oder? Denn dann sollte ich dir vielleicht verraten, dass ich schon lange aufgeklärt bin.“
    Mein Vater verzog das Gesicht, als bereitete es ihm körperliche Schmerzen, dass ich mit dem Wort Sex und seinen
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