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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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Aber er war immer da, irgendwie.«
    »Hmpf«, machte Serdan, allerdings diesmal ohne Luftblasengesicht. »Das klingt ziemlich krass. Aber du hast ja uns. Und ich mag dich übrigens lieber so, wie du bist. Also, du hast dich schon bisschen verändert, das tut ja jeder, und das ist auch okay. Aber Luzie muss Luzie bleiben.«
    Das war ein guter Satz und die Kälte begann langsam aus meinen Fingern zu kriechen. Ich öffnete meine Fäuste. Auf meinen Handballen konnte ich die weißen Abdrücke meiner Fingernägel sehen.
    »Komm zurück, Luzie. Fang wieder an, mit uns zu trainieren.«
    Serdan meinte es ernst. Das hörte ich genau.
    »Ihr habt nie viel mit mir geredet oder so …«, warf ich ein.
    »Man muss ja auch nicht immer reden. Schon gar nicht beim Parkour. Aber du gehörst dazu. Das denkt auch Billy und Seppo erst recht. Und ich auch. Bist doch unsere Katz.«
    Ich schluckte. Serdan ließ einen letzten Stein übers Wasser tanzen und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls, denn es wurde langsam dämmrig. Also wieder kein Kinodate.
    »Ich überleg’s mir«, sagte ich zögernd. »Aber unsere Eltern bringen uns um, das weißt du.«
    Serdan zuckte mit den Schultern. »Besser, als wenn wir uns gegenseitig umbringen. Oder?«
    Dann hob er die Hand zum Gruß, setzte sein Luftblasengesicht auf und ging davon. Ich ahnte schon, dass er das nächste Mal wahrscheinlich erst Weihnachten in drei Jahren in mehreren Sätzen mit mir sprechen würde.
    Das hohle Gefühl in meinem Bauch war verschwunden. Wütend war ich auch nicht mehr. Nur traurig.
    Trotzdem gab es da noch etwas, was ich unbedingt erledigen musste. Ich wollte trainieren, so viel war klar, und Serdan hatte diesen wahnsinnigen Plan, es unseren Eltern zu sagen und von ihnen eine Erlaubnis zu erzwingen.
    Aber wenn wir das taten, musste ich mich vorher wieder richtig mit ihnen verstehen, wenigstens einigermaßen. Und ich musste mich von ihnen anfassen lassen können. Ich musste ihnen helfen, damit Papas Geschäft nicht den Bach runterging.
    Es gab keinen anderen Weg. Ich musste zu den Toten in den Keller.

Der Meister der Zeit
    Klackend erlosch das Licht im Hausflur. Seit Minuten stand ich vor den vier ausgetretenen Stufen, die zum Keller führten, und wartete darauf, dass irgendetwas geschah – etwas, was das rasende Schlagen meines Herzens beruhigen würde oder mich am besten davon abhielt hinunterzugehen. Zum Beispiel hätte mein Handy klingeln können. Mama rief mich doch auch sonst dauernd an. Oder sie hätte von oben nach mir rufen können. Ich wusste, dass sie oben war. Ich hörte ihre schweren Schritte poltern und ab und zu ein vergnügtes Trällern. Wahrscheinlich backte sie ihre Muffins.
    Doch hier unten blieb es still. Die Tür zum Keller stand offen – einen Spalt weit, aber nicht weit genug, um Einzelheiten zu erkennen. Ab und zu traf mich ein kalter Lufthauch. Ich rieb meine Hände aneinander, damit sie warm wurden, aber sie blieben eisig. Wie die Hände des Toten, der da unten im Keller lag und darauf wartete, dass er geholt wurde.
    Das hatte Papa doch immer gesagt: Sie werden geholt, und wenn er das sagte, hörte es sich an, als ob es etwas besonders Schönes sei. Doch dann hatte Leander ebenfalls davon gesprochen, dass der Meister der Zeit uns Menschen hole – und es hörte sich fürchterlich an. So fürchterlich, dass ich jetzt noch Angst bekam, wenn ich daran dachte. Und ich hatte sowieso schon genug Angst. Mehr als genug. Aber mich nervte es auch, Angst zu haben. Ich mochte mich nicht, wenn ich mich fürchtete.
    Mogwai saß stumm und still neben mir auf dem kalten Marmorboden und starrte auf die Stufen. Ich atmete langsam aus und gab mir einen Ruck. Was sollte schon passieren? Ich war unzählige Male da unten gewesen. Ich würde mich wieder daran gewöhnen, wenn ich drin war. Außerdem musste ich ja nicht sofort in den Sarg gucken. Ich würde mich erst einmal in Ruhe umsehen.
    Meine Schritte hallten, als ich die wenigen Stufen hinunterging. Ohne die Tür zu berühren, schob ich mich durch den Spalt. Mogwai trottete gemächlich hinter mir her.
    Auweia. Wie sah es denn hier aus? Es war dunkel bis auf drei große mehrarmige Leuchter, deren Kerzen ein unruhiges Licht spendeten. Nun wunderte es mich nicht mehr, dass Papa dreinschaute, als würde die Welt untergehen. Mama hatte ein Tabu gebrochen. Kein Feuer in den Kellerräumen – das war eine von Papas Regeln. Aber Mama hatte nicht nur Kerzen aufgestellt, nein, unter den Kerzenständern versammelten sich
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