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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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Sekunde.
    Ein hohles Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Ich hätte gerne jemanden angepöbelt und etwas kaputt geschlagen. Und gleichzeitig wollte ich mich in mein Bett verkriechen und zehnmal hintereinander Silent Night von Tom Waits hören und dabei an Leanders Stirntuch riechen – das Einzige, was mir von all den Körperwächtern geblieben war.
    Mein Anrecht war eben erloschen. Ich würde nie wieder einen Körperwächter haben.
    Ich war allein.

Familienrat
    »Hey, Katz! Oh Gott, zum Glück, du lebst.«
    Serdan stützte die Hände auf seine Knie, beugte sich nach vorne und holte keuchend Luft. Dann presste er sich den Unterarm gegen den Bauch. Vor lauter Anstrengung hatte er offenbar vergessen, dass er eigentlich nicht redete. »Ich hab dich erst im Park gesucht, dann im Schulhof, dann auf der Parkinsel, dann hier … und als ich gesehen hab, dass der Balkon abgebrochen ist …«
    »Ich bin nicht gesprungen. Bin doch nicht blöd.« Ich musste mich räuspern, um weitersprechen zu können. »Hat Seppo dich geschickt?«
    »Klar. Wer sonst.«
    »Dann kannst du wieder gehen und ihm ausrichten, dass er mich mal kreuzweise kann.«
    Doch Serdan machte keine Anstalten zu gehen. Er kniete sich auf den Boden und ließ sich von Mogwai die Hände abschlecken. Dann stand er auf, löste die Leine aus meinen eiskalten Fingern und lief mit dem Hund auf den Strand zu.
    Schnaubend folgte ich ihm. Serdan setzte sich auf einen ausgewaschenen Flussstein und warf Kiesel über das Wasser.
    »Lass uns reden, Luzie. Komm, setz dich neben mich.«
    Ich lachte bitter auf. »Reden? Du willst reden? Du stolperst doch schon über deine Zunge, wenn du nur mal Hallo sagen musst.«
    »Manchmal muss man reden. Jetzt ist so ein Augenblick. Also setz dich.«
    Ich gehorchte, aber nur weil meine Beine ohnehin aus Pudding bestanden.
    »Warum hat Seppo das gemacht? Ich verstehe es nicht«, wimmerte ich. Ich konnte nicht vermeiden, dass ich wimmerte, auch wenn ich es hasste.
    »Okay, Luzie, ich verrate dir jetzt was, und du musst mir versprechen, dass du es nicht weitererzählst. Einverstanden? Gut. Seppo ist in dich verknallt. Bis über beide Ohren.«
    Ich starrte Serdan fassungslos an.
    »Aha. Und dann sucht er sich etwas, mit dem er mich wütend macht, oder was?«
    Serdan grinste schief. »Na ja, Seppo – er war neidisch auf dich, und er wollte nicht, dass du besser bist als er. Mann, dein Internetvideo ist Kult. Das wird jeden Tag x-mal angeklickt. Und Seppo wollte nicht, dass das so weitergeht und er irgendwann in deinem Schatten steht. Er ist halt ein Macho. Außerdem hat er sich wirklich Sorgen gemacht. Als du damals beim Treffen mit David hier übers Dach geschossen bist, hab ich auch gedacht, ich sterbe.«
    Nun musste ich grinsen.
    »Warum denn das?«, fragte ich belustigt.
    »Weil es höllisch gefährlich war. David hat zu uns gesagt, dass du extrem talentiert bist, aber dass wir unbedingt auf dich aufpassen sollen. Bis du auf dich aufpassen kannst. Das sei das Wichtigste beim Parkour. Wir müssen zusammenhalten, verstehst du. Wir sind eine Familie.«
    »Ach, und in einer Familie verrät einer den anderen?«
    »Seppo tut es leid, Luzie. Ehrlich. Der wird sich auch noch bei dir entschuldigen. Aber wir wollen, dass du zurückkommst. Wir haben beschlossen, dass wir es unseren Eltern sagen und ihnen genau erklären, was wir da tun. Entweder alle oder keiner. Einzelunternehmungen gibt’s nicht mehr.«
    Wow. So viele Sätze am Stück. Aber nun schwieg Serdan wieder und schickte seine Kieselsteine übers Wasser. Mogwai hatte sich zwischen unsere Füße gekuschelt und schlief.
    »Bist du denn auch in Seppo verknallt?«, fragte Serdan nach einer Weile leise. Er schaute mich nicht an dabei.
    »Das dachte ich«, erwiderte ich. »Aber ich glaub, ich bin es doch nicht. Weiß nicht. Er will mich irgendwie anders haben, als ich bin.«
    »Und warum guckst du dann so traurig? Eigentlich ist doch alles gar nicht so schlimm.«
    Ich streckte meine Beine aus und lehnte mich gegen den Stein. Ja, vielleicht war alles gar nicht so schlimm. Vielleicht aber doch. Ich wusste nur nicht, wie ich das Serdan erklären sollte. Ich versuchte es trotzdem.
    »Ich hab jemanden aus meiner Familie verloren, der aber gar nicht genau weiß, was eine Familie ist. Was das bedeutet. Also fehle ich ihm wohl nicht. Aber er fehlt mir.«
    Serdan runzelte die Stirn, lachte jedoch nicht.
    »Kannte ich den?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Den kannte nur ich und niemand sonst.
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