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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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hielt inne. Knistern? Knacken? Nein, das taten Leichen nicht. Sie pupsten und zischten, aber sie knisterten nicht. Vor allem rochen sie nicht nach verbranntem Laub.
    »Oh nein … Nein!« Schon war das Knistern lauter als meine Stimme. Die getrockneten Zweige, die quer über dem einen Kerzenständer hingen, brannten lichterloh. Grell schossen die Flammen zur Decke hoch.
    Blitzschnell griff ich nach der Karaffe mit dem Wasser und schüttete es über die brennenden Zweige. Die Explosion war so stark, dass sie mich nach hinten warf. Ich landete weich auf der toten Frau im Sarg, die ergeben zischte, während vor mir der gesamte Tisch in Flammen aufging.
    Das war kein Wasser gewesen.
    »Mama, du blöde Kuh, du hast alles umgeräumt!«, heulte ich. »Man tut doch keinen Alkohol in die Wasserkaraffe!« Meine Tränen verdampften sofort. Meine Haut war so heiß, dass sie zu brennen schien, und mein Weinen ging in Husten über. Würgend riss ich das Abdecktuch von der Leiche und warf es über die Flammen, doch es nützte nichts, auch das Tuch entzündete sich und fiel knisternd zu Boden, wo der Rest des verspritzten Alkohols als kleine, schmale Feuerspur auf meine Füße zueilte.
    Und dann roch ich Wasser. Flusswasser. Ja, es roch so wie der Rhein an einem schönen, warmen Sommertag. Das Wasser war da. Endlich war es da. Es würde alles löschen. Es würde mich retten. Es würde mich atmen lassen.
    Da bist du ja, dachte ich erlöst und schloss die Augen. Ich brauchte nicht mehr zu stehen. Ich musste mich nur auf den Boden und die Flammen legen und …
    »Nicht sie!«, brüllte es durch das Tosen des Feuers. »Du kriegst sie nicht! Noch nicht! Sie gehört mir!«
    Jemand griff nach mir und zog mich am Kragen hoch. Mogwais panisches Jaulen ging in wildem Freudengebell auf.
    »Bleib wach, Luzie, und mach deine verfluchten Augen auf! Sieh mich an!«
    »Aber das Wasser … der Fluss …«
    »Nein! Du musst mich ansehen, ich bin da!« Mühsam zwang ich meine Lider nach oben und blickte in ein helles blaues und ein dunkles grünes Auge. Ich beugte mich vor und hustete, bis meine Lunge flatterte. Leander stieß mich in die Ecke neben dem Fenster und drückte mir den sich windenden Hund in die Arme. Dann nahm er Anlauf, sprang auf den Sarg, griff nach dem metallenen Frisierkamm, hechtete durch den gesamten Raum und hieb die Spitze des Kamms in das Wasserrohr, das sich wie ein grauer Wurm von der Decke wand. In einer hohen Fontäne schoss das Wasser heraus und warf Leander zu Boden. Einige Flammen versiegten zischend, doch die Füße des Sarges kokelten bereits. Auf einmal konnte ich wieder denken.
    »Wir müssen hier raus, Leander!«, schrie ich, doch ich wusste nicht, ob er mich hörte. Ich selbst hörte mich nicht, da war nur noch das Rauschen von Wasser und das brutale Knistern und Tosen der Flammen. Lebte er überhaupt noch? »Und die Leiche muss auch raus! Schnell!«
    Ja, die Leiche musste raus, denn Mama hatte heute Morgen noch erzählt, dass eine pompöse Beerdigung geplant war, mit offenem Sarg, weil alle Angehörigen die gute alte Frau noch einmal sehen und sich von ihr verabschieden wollten. Wenn sie hier mit uns verbrannte, konnte Papa gleich dichtmachen.
    Direkt neben dem Sarg knallte es laut und ein Funkenregen ergoss sich über das Gesicht der Frau. Ich rollte mich unter dem Wasserstrahl hindurch zu ihr, richtete mich auf und wischte die glühende Asche von ihrer kühlen, weichen Haut. Leander versuchte indessen immer wieder, die Tür zu öffnen, doch auch er konnte die Klinke nicht bewegen.
    »Sie klemmt!«, brüllte ich hustend. Nun konnte ich nicht mehr einatmen, nur noch ausatmen und husten. Der ganze Keller war voll dichtem Rauch und Qualm. Verzweifelt sah ich mich um und suchte nach irgendeiner Lösung. Das Fenster? Kamen wir hoch zu den Fenstern?
    Und warum leuchtete es da oben so grell und silbern? Brannte es draußen etwa auch?
    »Leander, guck doch mal!«, krächzte ich heiser.
    »Oh nein!«, wütete Leander. »Jetzt mischt der alte Streber sich auch noch ein!«
    Wie ein silberner Kugelblitz sauste Vitus durch das Fenster zu uns herunter. Für ein oder zwei Sekunden leuchtete der gesamte Keller, und es erschallte eine Klangfolge, die so hoch und mächtig war, dass ich auf den Boden sackte und mir die Hände auf meine Ohren presste. Der Wasserstrahl prasselte hart auf meinen Rücken und die Hitze der Flammen ließ mich vor Schmerzen aufjaulen.
    Dann wurde es kurz totenstill und der Boden unter mir begann zu
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