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Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Titel: Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
Autoren: Keigo Higashino
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Polizei gesteuert. Und mit welch entsetzlicher List! Auch wenn sie sich keine andere Erklärung vorstellen konnte, als die, die Yukawa ihr gegeben hatte, konnte sie es noch immer nicht glauben. Nein, sie wollte nicht glauben, dass Ishigami so weit gegangen war. Nicht daran denken, dass er sein Leben für eine nicht mehr ganz junge, wenig anziehende, durchschnittliche Frau weggeworfen hatte. Yasukofühlte sich nicht stark genug, um ein solches Opfer anzunehmen. Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Sie wollte gar nichts mehr denken. Yukawa hatte gesagt, er würde der Polizei nichts sagen. Alles seien nur Vermutungen, er habe keine Beweise. Deshalb läge es an ihr zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen würde. Er hatte ihr die grausame Wahl gelassen. In ihrer Ratlosigkeit brachte sie nicht einmal die Kraft auf, sich zu erheben. Als sie so gebeugt und starr wie ein Stein auf der Bank saß, berührte sie plötzlich jemand an der Schulter. Sie fuhr zusammen und sah auf. Es war Kudo, der besorgt zu ihr hinunterschaute. »Was ist denn los?«, fragte er.
    Sie begriff nicht gleich, warum er dort stand, und starrte ihn an. Dann erinnerte sie sich, dass sie ja verabredet waren. Als sie nicht erschien, hatte er sich Sorgen gemacht und sie gesucht.
    »Entschuldige, ich war plötzlich so müde …« Eine bessere Ausrede fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Außerdem stimmte es, sie fühlte sich wie gerädert.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte Kudo sanft.
    Doch dieser sanfte Ton erschien ihr im Augenblick fehl am Platz. Sie erkannte, dass es auch ein Verbrechen war, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Ein Verbrechen, dessen sie sich bis vor wenigen Minuten schuldig gemacht hatte.
    »Es geht schon«, sagte Yasuko und versuchte sich zu erheben. Sie schwankte, und Kudo bot ihr seinen Arm.
    »Ist etwas passiert? Du siehst so blass aus.«
    Yasuko schüttelte den Kopf. Sie konnte Kudo nicht erklären, was passiert war. Keinem Menschen auf der Welt.
    »Nein, nichts. Mir wurde nur etwas übel, und ich musste mich setzen. Es ist schon wieder besser.« Ihre Stimme sollte laut und zuversichtlich klingen, aber ihr fehlte die Kraft.
    »Ich habe ganz in der Nähe geparkt. Möchtest du dich ausruhen, bevor wir gehen?«
    Yasuko richtete ihren Blick auf Kudo. »Gehen? Wohin?«
    »Ich habe einen Tisch in einem Restaurant reserviert. Für sieben Uhr, aber es macht nichts, wenn wir eine halbe Stunde später kommen.«
    »Ah …«
    Schon das Wort ›Restaurant‹ erschien ihr wie aus einer anderen Welt. Musste sie jetzt auch noch in einem Restaurant essen? In diesem grauenhaften Zustand mit vorgetäuschtem Lächeln geziert mit Messer und Gabel hantieren? Auch wenn Kudo natürlich nichts dafürkonnte.
    »Entschuldige«, flüsterte Yasuko. »Aber ich glaube, dazu fühle ich mich einfach nicht gut genug. Gehen wir lieber essen, wenn es mir besser geht. Heute kann ich nicht. Irgendwie bin ich …«
    »Ich verstehe«, sagte Kudo und fasste sie beruhigend am Arm. »Das ist das Beste. Du hast so viel durchgemacht, kein Wunder, dass du erschöpft bist. Heute ruhst du dich mal richtig aus. Eigentlich hast du schon lange keinen Tag gehabt, an dem du dich mal entspannen konntest. Ich hätte dich in Ruhe lassen sollen. Entschuldige.«
    Yasuko sah Kudo an. Wie rücksichtsvoll er war und was für ein netter Mensch. Er hatte sie wirklich gern. Traurig fragte sie sich, warum sie bei so viel Liebe nicht glücklich werden konnte.
    Kudo legte ihr die Hand auf den Rücken und führte sie zu seinem Wagen, den er nicht weit entfernt geparkt hatte. Er hatte angeboten, sie nach Hause zu fahren. Eigentlich hätte sie ablehnen müssen, fand sie, aber der Weg erschien ihr so unendlich weit.
    »Ist auch wirklich alles in Ordnung? Wenn irgendetwas war, möchte ich, dass du es mir erzählst. Vor mir brauchst du nichts zu verbergen«, sagte Kudo, als sie einstiegen.
    »Ja, es ist alles in Ordnung. Tut mir leid!«, sagte Yasuko und lächelte ihn an. Allein dazu brauchte sie ihre ganze Kraft.
    Es tat ihr wirklich leid, in vielerlei Hinsicht. Ihr fiel ein, dass Kudo sich aus einem bestimmten Grund mit ihr hatte treffen wollen.
    »Du hattest gesagt, du wolltest etwas Wichtiges mit mir besprechen?«
    »Ja, stimmt.« Er senkte den Blick. »Aber das lassen wir heute lieber.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Ja.« Er ließ den Motor an.
    Yasuko überließ sich den schaukelnden Bewegungen des Wagens, während sie unverwandt aus dem Fenster blickte. Die Sonne war untergegangen,
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