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Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Titel: Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
Autoren: Keigo Higashino
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Plastikplanen und seinem eigenen.
    Ishigami setzte seinen Weg am Fluss fort. Vor der Kiyosu-Brücke begegnete ihm eine ältere Frau mit ihren Hunden. Jeder ihrer drei Zwergdackel trug ein Halsband in einer anderen Farbe: der eine ein rotes, der zweite ein blaues und der dritte eins in Pink. Als die Frau Ishigami bemerkte, nickte sie ihm zu und lächelte. Er nickte zurück.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Guten Morgen. Ganz schön kalt heute, nicht?«
    »Sehr kalt.« Er zog eine Grimasse.
    Im Vorbeigehen wünschte die Frau ihm alles Gute, und er nickte ihr wieder zu.
    Er war ihr vor ein paar Tagen schon einmal begegnet. Damals hatte sie eine Supermarkttüte mit Sandwiches oder etwas Ähnlichem bei sich getragen. Wahrscheinlich ihr Frühstück. Daraus schloss er, dass sie allein lebte. Vermutlich nicht weit von hier, denn sie hatte Pantoffeln getragen, in denen man nicht Autofahren konnte. Wahrscheinlich hatte sie ihren Mann verloren und lebte irgendwo in der Nähe allein mit ihren drei Hunden in einer zu großen Wohnung. Bestimmt weigerte sie sich wegen der Hunde, in eine kleinere zu ziehen. Vielleicht war ihre jetzige schon abbezahlt, auf Grund der hohen Nebenkosten aber musste sie sparsam leben. In diesem Winter war sie nicht einmal beim Friseur gewesen. Offensichtlich hatte sie sich noch nie die Haare färben lassen.
    An der Kiyosu-Brücke stieg Ishigami die Treppe hinauf. Um zur Schule zu kommen, hätte er die Brücke überqueren müssen, aber er schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Sein Ziel war der kleine Imbissladen mit dem Schild
Bententei
, der Bento – abgepackte Menüs zum Mitnehmen – verkaufte. Ishigami schob die Glastür auf.
    »Nur immer herein! Guten Morgen«, tönte ihm die vertraute Begrüßung entgegen. Dennoch versetzte ihn der Klang dieser Stimme stets aufs neue in heitere Laune. Yasuko Hanaoka lächelte ihn an. Sie trug eine weiße Kappe.
    Kein anderer Kunde war im Laden, was Ishigamis Stimmung weiter hob.
    »Ich nehme einmal Spezial.«
    »Einmal Spezial, kommt sofort«, erwiderte Yasuko Hanaoka fröhlich. Ihren Gesichtsausdruck konnte Ishigami nicht sehen, weil er vor lauter Verlegenheit in seinem Portemonnaiekramte. Sie waren Nachbarn, und eigentlich hätte es weitere Gesprächsthemen zwischen ihnen geben müssen als seine Bestellung, aber ihm fiel partout nichts ein.
    »Kalt heute, nicht wahr?«, sagte er endlich beim Bezahlen, nuschelte aber so sehr, dass die Bemerkung in den Geräuschen unterging, die ein gerade eintretender Kunde beim Öffnen der Glastür verursachte. Yasuko wandte ihre Aufmerksamkeit dem Neuankömmling zu.
    Sein Bento-Spezial in der Hand verließ Ishigami das Geschäft und ging nun direkt zur Kiyosu-Brücke. Grund für seinen Umweg war das
Benten-tei
gewesen.
    Nach dem ersten Ansturm am Morgen betraten kaum noch Kunden den kleinen Laden. Allerdings liefen in der Küche bereits die Vorbereitungen für die Mittagszeit auf Hochtouren. Das
Benten-tei
hatte Verträge mit mehreren Firmen, und die Essen für die Angestellten mussten bis zwölf Uhr ausgeliefert sein. Deshalb half Yasuko, sofern es keine Kundschaft gab, auch in der Küche aus. Mit ihr arbeiteten vier Personen im
Benten-tei
. Geschäftsführer war Herr Yonazawa. Seine Frau Sayoko bereitete die Speisen zu. Für die Auslieferung zuständig war die Teilzeitkraft Kaneko, während Yasuko die laufende Kundschaft bediente.
    Bevor sie diese Stelle angenommen hatte, war sie in einem Nachtklub in Kinshicho beschäftigt gewesen. Herr Yonazawa hatte regelmäßig dort verkehrt, und Sayoko war die Mamasan – die Chefin – gewesen. Dass die beiden verheiratet waren, hatte Yasuko erst, kurz bevor Sayoko dort aufgehört hatte, von dieser erfahren. Natürlich hatte es Gerede bei den Gästen gegeben. »Wie will sie sich denn von einer Nachtklubchefin in eine brave Bento-Köchin verwandeln?«, hieß es. »Aber wer versteht schon die Menschen?« Laut Sayoko wares jedoch ein langgehegter Traum des Ehepaars, einen eigenen Imbiss zu eröffnen. Angeblich hatte sie nur in der Bar gearbeitet, um diesen zu verwirklichen. Nach der Eröffnung des
Benten-tei
schaute Yasuko regelmäßig vorbei, um zu sehen, wie das Geschäft lief. Offenbar ging es nach einem Jahr so gut, dass die Yonazawas sie fragten, ob sie nicht Lust habe, bei ihnen zu arbeiten. Die Arbeit wachse ihnen allmählich über den Kopf.
    »Und du kannst ja auch nicht für immer im Nachtklubgeschäft bleiben, Yasuko. Außerdem wird Misato jetzt langsam erwachsen«, mahnte
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