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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Autoren: Charlotte Link
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in Brüssel hatte sie ihn getroffen, wie er, mit schmerzverzogenem Gesicht, auf Anne gestützt, zaghafte Gehversuche
machte. In Quatre Bras hatte ihn eine Kugel ins Bein getroffen, aber er behauptete, es gehe ihm schon viel besser. So bald wie möglich wollte er auf ein Schiff nach England und sich dann den Sommer über auf seinem Landsitz in Devon erholen.
    Joanna erzählte ihm nicht, daß sie Elizabeth besuchen wollte. Sie hatte das Gefühl, ihm gegenüber von der Freundin am besten gar nicht mehr zu sprechen, und zudem wollte sie es ohnehin so geheim wie möglich halten. Es war schlimm genug, daß sich Belinda natürlich wieder an ihre Fersen heftete. Den ganzen Weg über dachte Joanna darüber nach, wie sie es fertigbringen sollte, wenigstens für wenige Augenblicke mit Elizabeth allein zu sein. Aber dann war Elizabeth gar nicht da. Sie erreichten Schloß Sevigny an einem glühendheißen Julinachmittag, überquerten auf einer geschwungenen steinernen Brücke das schilfige Gewässer des Burggrabens und betrachteten staunend das hohe graue Gemäuer mit den unzähligen Bogenfenstern, in denen kein Glas mehr war und vor denen zerrissene Vorhänge hingen. Sie traten durch eine herausgebrochene Haustür und standen der schwarzgekleideten Hortense Sevigny gegenüber, die sie voller Mißtrauen ansah und noch verschlossener wurde, als sie erfuhr, wer die Fremden waren.
    »John Carmody und Madame sind nicht da«, erklärte sie mit spröder Stimme, »sie sind nach Paris gereist, und ich weiß nicht, wann sie zurückkommen.«
    »Aber was tun sie denn jetzt in Paris?« fragte Joanna erstaunt. Hortenses hageres Gesicht drückte tiefste Mißbilligung aus.
    »Das möchte ich auch wissen«, entgegnete sie heftig, »wir haben furchtbare Tage hinter uns. Meine Tante Marie kam bei den Kämpfen um das Schloß ums Leben, alles ist zerstört — und die beiden haben nichts anderes zu tun, als nach Paris zu reisen! Aber natürlich«, nun wurde ihre Stimme haßerfüllt, »geschah dies auf Betreiben von Madame Elizabeth! Eine völlig unstete Frau. Sie verpraßt unser Geld und läßt John keinen Moment in Frieden und...« Sie brach ab, als ihr klar wurde, daß sie zu wildfremden Menschen sprach und für einen Moment die Selbstbeherrschung verloren hatte.

    »Wie gesagt, ich weiß nicht, wann sie zurückkommen«, meinte sie kühl, »es kann Tage dauern oder auch Wochen.«
    »Ich werde Elizabeth eine Nachricht hinterlassen«, murmelte Joanna, »es hat wohl keine Sinn zu warten.« Sie fühlte sich fast gekränkt, verletzt, aber zugleich erleichtert. Sie spürte, daß es die letzte Gelegenheit gewesen war, Elizabeth wiederzusehen, denn sie selbst hatte nicht das geringste Verlangen, noch einmal auf den Kontinent zu reisen, und Elizabeth würde kaum je einmal wieder nach England kommen. Vielleicht, so dachte sie, hatte sie Edward wirklich nur deshalb begleitet, um Elizabeth zu treffen. Wenn es so war, dann waren die grauenvollen Tage und Nächte umsonst gewesen, die sie in Wirtshäusern und dahinjagenden Kutschen zwischen den feindlichen Linien verbracht hatte. Aber nicht einmal der Gedanke daran tat ihr so weh, wie sie erwartet hätte. Es war wirklich zu Ende.
    Jetzt stand sie in dem Park, von dem sie einmal voller Wut gesagt hatte, sie kenne ihn so gut, daß sie ihn nicht mehr sehen könne, von dem sie heute aber wußte, daß sie nirgendwo sonst würde leben wollen. Sie sah wieder auf Elizabeths Brief. Sie konnte tatsächlich kaum noch etwas erkennen, so rasch kam nun die Nacht. »Sicher hast Du Dich gewundert, warum John und ich nach Paris gereist sind«, fuhr sie im Lesen fort, »aber wir waren so durcheinander, fühlten uns so elend und verzweifelt—wir wollten irgendwohin, bloß erst einmal fort. Weißt Du, ich habe dieses Schloß nie recht leiden können und das ganze Land nicht, aber ich werde wohl hier leben bis zu meinem Tod. In Paris habe ich gemerkt, daß es gleich ist, wo ich bin. Ich fühle mich nirgends daheim, weil ich eine solche große Sehnsucht nach England mit mir herumtrage, daß ich fremd sein muß, ganz gleich, an welchem Ort ich mich aufhalte. Es ist ganz gewiß, daß wir niemals werden zurückkehren können, denn du weißt, welche Taten wir begangen haben, und dafür bezahlen wir jetzt. Ich muß mich sehr bemühen, nicht ständig dagegen aufzubegehren, denn ich halte uns beide, John und mich, für unschuldig, auch wenn wir es vor dem Gesetz nicht sind. Aber wir, ganz besonders John, sind Opfer einer Zeit gewesen, Opfer
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