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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Autoren: Charlotte Link
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Menschen in diesem Paradies verrecken wie die Fliegen, und tut irgend jemand etwas dagegen? Nein, die Lords machen sich ein gutes Leben, und wir sind noch so verrückt und schaffen ihnen herbei, was sie dazu brauchen!«
    »Hör doch auf mit diesen Reden! Lebst du etwa schlecht?«
    »Er hat aber recht«, mischte sich ein anderer Mann ein, »und die in Frankreich haben schon längst begriffen, daß man irgend etwas ändern muß. Wir sollten das auch mal begreifen!«
    »Na, und was würdest du ändern?« fragte die Frau spitz. »Keine Alkoholsteuern mehr, wie? Wäre bestimmt ein verdammt viel billigeres Leben für dich!«
    Alle Umstehenden lachten. Es stimmte, was die Frau gesagt hatte. Seit König George III. William Pitt zum Premierminister gemacht hatte, fand dieser ständig neue Wege, um die englische Wirtschaft zu sanieren. Dazu gehörte auch, daß er nahezu alle Verbrauchsgüter des Landes mit hohen Steuern belegte, was die Engländer verärgerte, wegen des sichtlichen Erfolges für die englische Wirtschaft aber auch wieder besänftigte.
    »Die Steuern sind nicht das schlimmste«, erwiderte der Mann, »aber freie Wahlen wären schon eine schöne Sache. Es ist doch lächerlich, zu den Wahlen überhaupt hinzugehen. Die Grundbesitzer einer Grafschaft stellen den Mann auf, den sie haben wollen, und dann schauen sie uns über die Schulter, ob wir unser
Kreuz auch an der richtigen Stelle machen. Und wenn nicht, dann haben wir am nächsten Tag keine Arbeit mehr, oder man findet uns mit zerschlagenen Knochen irgendwo halbtot in einem Straßengraben. Und das nennen sie Wahlrecht für alle!«
    »Du hast eben auch keinen Mut«, sagte die junge Frau verächtlich, »wenn ich wählen dürfte, dann würde ich das Kreuz genau da machen, wo ich es will, darauf könnt ihr euch verlassen!«
    Sämtliche Männer lachten höhnisch.
    »Wahlrecht für Frauen ist das letzte, was wir jetzt gebrauchen können«, rief einer, »dann schon lieber Wahlrecht für die Katholiken! «
    »Du lieber Himmel, ich wüßte nicht, was schlimmer wäre! Oh, Vorsicht...!« Alle wichen zur Seite, als plötzlich eine Kutsche schwungvoll schaukelnd um die Straßenecke bog und mit einiger Rücksichtslosigkeit in die wartende Menge hineinrollte. Es handelte sich um ein prächtiges Gefährt aus dunkelbraunem Holz, mit goldenen Wappen verziert und von vier Pferden gezogen.
    »Die Lords glauben immer, sie könnten sich alles erlauben«, schimpfte ein älterer Mann. »Ich finde, daß...«
    »Psst! Das ist der Wagen von Lord Sheridy. Der ist nicht schlecht wie so viele andere.«
    »Er lebt sein gutes, reiches Leben, und tausend andere hungern! «
    Die Kutsche kam zum Stehen, der Kutscher sprang herab und öffnete die Tür. Heraus stieg ein eleganter, grauhaariger Herr, vor dem sich sofort einige Umstehende ehrfürchtig verneigten. Jeder in der Gegend kannte Lord Sheridy, der große Ländereien besaß und viele Bauern für sich beschäftigte. Er galt nicht als Ausbeuter, wahrte aber eine Distanz zu seinen Untergebenen, die manche als unerträglich hochmütig empfanden. Dazu mochte auch sein Aussehen beitragen, das völlig dem landläufigen Bild des englischen Aristokraten entsprach und in seiner Vollkommenheit verwirrte. Auch jetzt lächelte er nicht, sondern nickte nur kurz, ehe er Lady Sheridy die Hand reichte, um ihr beim Aussteigen zu helfen.

    Lady Harriet Sheridy war eher geeignet, Sympathien zu erwecken. Klein, zart und blond, stand sie ein wenig hilflos auf dem Platz, sah sich scheu um und schien sich an ihrem Sonnenschirm geradezu festzuhalten. Sie trug ein wunderschönes himmelblaues Seidenkleid und wirkte in dem dreckigen Hafen ganz fehl am Platze. Dennoch klang ihre Stimme erstaunlich befehlsgewohnt, als sie sich nun zur Kutsche zurückwandte und sagte:
    »Agatha, komm mit den Kindern heraus!«
    Eine ältere Frau in einfacher brauner Dienstbotenkleidung kletterte aus dem Wagen und hob nacheinander zwei kleine Mädchen heraus, die sie sogleich fürsorglich an die Hand nahm. Das ältere von beiden mochte etwa elf, das jüngere acht Jahre alt sein, Cynthia und Joanna Sheridy, beide ebenso hellblond wie ihre Mutter. Cynthia versuchte, gelassen zu wirken und sich gelangweilt umzusehen, während Joanna riesige, staunende Augen bekam. Schwungvoll riß sie sich von ihrem Kindermädchen los.
    »Ist das Schiff schon da?« rief sie aufgeregt. Lord Sheridy hielt sie gerade noch fest, bevor sie, ohne eine Antwort abzuwarten, in der Menschenmenge verschwinden
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