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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Autoren: Charlotte Link
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dicke, ältliche Damen, die riesige Hüte zum Schutz vor der Sonne trugen und jammernd und stöhnend über den Platz gestapft kamen. Zwischen sich führten sie ein kleines Mädchen, das sie jede an einer Hand festhielten. Lord Sheridy trat auf die beiden Damen zu und begrüßte sie höflich.
    »Bringen Sie Elizabeth Landale aus Louisiana?« fragte er. Beide strahlten auf.
    »Sind Sie Lord Sheridy? Gott sei Dank, wir hatten solche Angst, daß der Brief über Elizabeths Kommen Sie gar nicht erreicht! Wir hätten ja nicht gewußt, was wir mit dem Kind tun sollen!«
    Nach diesem Ausbruch der Erleichterung stellten sich die Damen als Miss Hart und Miss Waddlington aus New York vor, die nach langem Aufenthalt in Amerika wieder in England leben wollten. Von Bekannten der verstorbenen Landales war ihnen Elizabeth für die Überfahrt anvertraut worden.
    »Dies hier«, sagte Miss Hart, »ist Elizabeth!«
    Lord Sheridy beugte sich zu dem Kind hinab und sah es an. Elizabeth erwiderte seinen Blick aus Augen, die zu müde schienen, um noch Scheu zu zeigen. Sie sah vollkommen übernächtigt aus, blaß und elend. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid, das ein wenig schmutzig und zerknittert an ihr herunterhing und ihre Gesichtsfarbe noch bleicher wirken ließ. Lord Sheridy lächelte unsicher.
    »Ich bin Lord Phillip Sheridy«, sagte er, »und du bist Elizabeth Landale?«
    Elizabeth nickte. Dann sah sie zu Joanna hin. Beide sagten nichts, aber ganz unwillkürlich lächelte Joanna, gleichermaßen von Mitleid und Zuneigung ergriffen, und Elizabeth gab das Lächeln schwach zurück. Phillip richtete sich wieder auf und sah
sich nach Harriet um, die soeben mit Viola hinzutrat. Viola wirkte ziemlich aufgeregt.
    »Sie sieht aber ganz aus wie Henry«, flüsterte sie Harriet zu, »sie hat völlig schwarze Haare!«
    »Und sie ist so furchtbar dünn«, meinte Harriet. Sie umarmte das Mädchen so vorsichtig, als habe sie Angst, es zu zerbrechen.
    »Willkommen in England, Elizabeth! Wir haben uns so auf dich gefreut. Ich hoffe, es wird dir bei uns gefallen.«
    »Ja, Mylady. Es ist schön hier.« Diese Antwort klang angesichts des dreckigen, lärmüberfluteten Hafens rührend höflich. Harriet zog Elizabeth noch einmal an sich.
    »Ich habe deine Mutter sehr geliebt«, flüsterte sie, »ich wünschte, ich könnte sie dir ein bißchen ersetzen!«
    Joanna schossen vor Ergriffenheit die Tränen in die Augen. Auch Cynthia, Agatha, Viola und die beiden Damen aus Amerika blickten gerührt. Phillip hustete.
    »Wir sollten uns auf den Heimweg machen«, meinte er, »wir vergehen ja alle fast vor Hitze.«
    Sie gingen zu ihrer Kutsche. Harriet und Phillip verabschiedeten sich unter Danksagungen von Miss Hart und Miss Waddlington, die sichtlich erleichtert waren, ihren Auftrag ohne Zwischenfälle erledigt zu haben. Viola kündigte an, sie werde schon bald mit Belinda zu den Sheridys kommen, um zu sehen, wie sich Elizabeth eingelebt habe. Dann erst konnte der Kutscher das wenige neue Gepäck verladen und den Reisenden nacheinander in den Wagen helfen. Mühsam bahnten sich die Pferde einen Weg durch das Gewühl, trabten dann schneller, als die Gassen freier wurden, und endlich verließen sie die Stadt, zogen die Kutsche über staubige Feldwege, an blühenden Sommerwiesen vorbei. In der Ferne glitzerte blau das Meer herüber, aber Elizabeth sah davon nichts, denn sie schlief tief und fest auf Harriets Schoß.
    Es war das Jahr der Revolution und der Tag der Bastille, für Joanna Sheridy und Elizabeth Landale aber blieb es in der Erinnerung immer nur die Zeit, in der für sie beide ein neues Leben begann.

2
    Es fiel Elizabeth nicht leicht, sich in dem fremden Land einzugewöhnen. Am Anfang schien ihr das ganze Leben einem verworrenen Alptraum zu gleichen. Sie stand verloren in ihrem schönen Zimmer und blickte durch das alte, hohe Bogenfenster, das von roten Rosen umrankt wurde, hinaus auf den hügeligen, waldigen Park, auf die Wiesen, die sich um das Schloß herum erstreckten, und auf die kleinen, eilig sprudelnden Bäche. Sie kannte den englischen Sommer nicht, sie kannte das ganze England nicht. Sie verstand und beherrschte die Sprache, aber sonst war ihr alles fremd. Sie hatte die Stadt gesehen mit ihren seltsam düsteren, alten Häusern, die vor dreihundert oder vierhundert Jahren gebaut worden waren und deren schiefe, spitze Dachgiebel sich über die Gassen hinweg fast berührten. Sie waren über Landstraßen gefahren, an verträumten Dörfern und mächtigen
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