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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Autoren: Charlotte Link
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Hausrat auf einem Karren hinter sich herzog, »und sie gehen so gewaltsam aufeinander los, daß man glauben könnte, eine Herde hungriger Bestien vor sich zu haben. Oh, gnade Gott unseren Seelen!« Sie bekreuzigte sich rasch. Joanna umklammerte ihren Arm.
    »Und wer wird siegen?« fragte sie atemlos.
    »Ich weiß nicht, niemand weiß es. Aber ich glaube, die Sache
steht schlecht für die Engländer. Wellington wartet auf Blücher, aber der kommt nicht!«
    Sie sahen einander ratlos an, dann sprang Edward plötzlich auf, warf sich seinen Mantel um die Schultern und schlüpfte in seine Schuhe.
    »Ich reise nach Brüssel«, erklärte er.
    »Wie bitte?« fragte Joanna fassungslos.
    »Das wolltet ihr doch die ganze Zeit, du und Belinda. Es wird hier zu gefährlich.«
    »Ja, aber was glaubst du, wie gefährlich es ist, jetzt nach Brüssel zu reisen? Da wird doch überall gekämpft! Du kriegst auch gar keine Kutsche!«
    Aber Edward bekam eine Kutsche. Der Wirt des Gasthofes, der schon die ganze Zeit überlegt hatte, ob es nicht besser sei, die Gegend zu verlassen, erklärte sich schließlich bereit, die Reisenden zu fahren, wenn er dafür viel Geld bekäme. Edward überhäufte ihn mit Goldstücken, und kurz darauf saßen sie in der Kutsche.
    Nun also rollten sie über die holprige Straße nach Quatre Bras, nicht ahnend, daß General Wellington, der noch am Nachmittag den verzweifelten Ruf: »Die Nacht oder die Preußen!« ausgestoßen hatte, seinem Sieg entgegenging, daß Blücher mit seiner Armee rechtzeitig eingetroffen war, daß die Kaisergarde des Napoleon Bonaparte zum letzten Mal gegen Wellingtons Stellungen ankämpfte, im Artilleriefeuer der Engländer zusammenbrach und schließlich wich, womit sich das gesamte französische Heer von einem Moment zum anderen auflöste und in einer wilden, überstürzten Flucht das Schlachtfeld verließ, auf dem in der milden, klaren Sommernacht Tausende starben.
    Als die Kutsche an der Wegkreuzung von Quatre Bras anlangte, blieben die Pferde stehen. Joanna lehnte sich zum Fenster hinaus und gewahrte im Mondlicht eine Gruppe von ärmlich gekleideten Bauern, die sich um den Wagen drängten. Sie hatten die Hände gehäuft voll mit Ringen, Uhrketten, silbernen Sporen, Orden und Amuletten. Ihre Zähne blitzten, und ihre Augen leuchteten.

    »Von den Toten«, flüsterten sie geheimnisvoll, »sie liegen hier herum, seit zwei Tagen schon. Und jetzt haben wir uns schnell alles geholt, ehe die Franzosen kommen!« Die Bauern traten noch dichter heran.
    »Verschwindet lieber«, warnten sie leise. »So schnell ihr könnt! Die Franzosen kommen! Sie sind besiegt worden, sie fliehen zur Grenze. Sie trampeln nieder, was ihnen in den Weg kommt!«
    »Sie kommen diese Straße?« fragte der Kutscher.
    »Ja, Monsieur. Diese Straße kommen sie. Viele tausend. Wir haben uns geholt, was wir wollten. Wir sehen zu, daß wir fortkommen! «
    Schon tauchte die kleine Gruppe in der Nacht unter.
    »Alles aussteigen«, befahl der Kutscher, »ich bin nicht so wahnsinnig und fahre den Truppen noch entgegen. Jesus im Himmel, hätte ich mich nur nie auf dieses Abenteuer eingelassen! Ich bleibe dort in dem Wirtshaus.«
    »Das müssen wir dann wohl auch tun«, meinte Joanna. »Herrgott, Belinda, hör endlich auf zu heulen!«
    Steifbeinig stiegen sie aus der Kutsche. Joanna packte schnell Belindas Arm und drehte sie zur Seite, ehe sie die Leichen dreier Soldaten neben der Gartenmauer erblicken konnte, die dort nackt und geplündert lagen.
    So schnell sie konnten, huschten sie hinüber zum Wirtshaus. Sie fanden die Tür verschlossen und fürchteten schon, es sei niemand da, der ihnen öffnen würde, aber endlich erschien ein mißtrauisch blinzelnder Wirt.
    »Wir haben uns im Keller verbarrikadiert«, erklärte er flüsternd, »die Franzosen kommen! Die Garde ist niedergemacht. Sie fliehen!«
    »Dürfen wir hier die Nacht verbringen?«
    »Kommt herein. Aber beeilt euch!«
    Sie traten in den niedrigen, weißgekalkten Hausflur. Der Wirt leuchtete ihnen mit einer Kerze den Weg in den Keller. Zwischen alten Weinfässern, geräuchertem Schinken und verrosteten Mausefallen saßen bereits die Familie des Wirtes, ein paar Gäste und einige Flüchtlinge. Sie rückten stumm zur Seite, um den Ankommenden
Platz zu machen, die sich ebenso schweigend auf dem feuchten, kalten Fußboden niederließen. Joanna und Belinda rückten zum ersten Mal in ihrem Leben eng aneinander, weil sie es sonst in der Kälte nicht ausgehalten hätten. Gegen
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