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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Autoren: Erica Spindler
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hängende Äste, die Blätter schwer vom kürzlichen Regen, bespritzten sie, als sie darunter durchging.
    Das Taxi hielt am Straßenrand, und Hope stieg ein. „St.-Louis-Kathedrale“, wies sie den Fahrer an und schmiegte sich tief in den abgewetzten Sitz.
    In der Hoffnung, die Gläubigen entweder vor Begehung einer Sünde oder in Reue derselben einzufangen, nahm man in der Kathedrale am Jackson Square bis in die Nacht hinein die Beichte ab. Hope hatte es immer für eine Ironie gehalten, dass New Orleans’ älteste und, nach ihrem Empfinden, ehrfurchtgebietendste Kirche Wache im Herzen des Sündenpfuhls hielt.
    Hope verschränkte krampfhaft die Hände im Schoß. Im Taxi roch es muffig nach altem Zigarettenrauch und Schimmel. Der Fahrer sprach wenig. Sein Schweigen bewahrte ihn davor, von ihr zurechtgewiesen zu werden. Sie wandte das Gesicht dem Fenster zu und verfolgte, wie die großen Anwesen der Wohnviertel allmählich den Wolkenkratzern der Innenstadt Platz machten, dann folgten die im europäischen Stil erbauten Häuser des Vieux Carré.
    Nach wenigen Minuten hielt der Fahrer am Straßenrand vor der Kathedrale. Hope bat ihn zu warten und stieg aus. Als sie den Blick zum mächtigen Kirchturm emporhob, fühlte sie sich bereits erleichtert. Die St.-Louis-Kathedrale hielt Wache über den Jackson Square wie eine Anstandsdame über einen Haufen unternehmungslustiger Teenager. So wie die katholische Kirche stets die unsterblichen Seelen ihrer Gläubigen bewacht hatte. Zwei Mal aus Ruinen wieder aufgebaut, ein Mal nach den Zerstörungen durch einen Hurrikan, standen ihre strengen Linien in deutlichem Kontrast zu den verspielten Gitterwerken der angrenzenden Gebäude. Hope hatte diese Kirche stets für eine Art Anker gehalten, der einen schützenden, ausgleichenden Einfluss auf das Leben der einst im Vieux Carré ansässigen, lebenslustigen Kreolen ausübte.
    Sie eilte auf das einladende Portal zu, dass ihre Absätze auf dem Pflaster klapperten. Vom Mississippi, östlich des Platzes gelegen, hörte sie das einsame Tuten eines Schiffes. Aus der nahen Bourbon Street wehten raues Gelächter und die Klänge des Dixieland-Jazz herüber.
    Sobald sie die Kirche betrat, verstummten die Geräusche, und es blieb tröstende Stille. Ein Gefühl der Ruhe und Gelassenheit überkam Hope. Aufregung und Verzweiflung der letzten Tage schwanden. Hier konnte das Böse sie nicht anrühren. Hier, in den Armen der Kirche, würde sie ihre Antworten erhalten.
    Im Eingang stand ein Marmorbecken. Hope tauchte zwei Finger in das geweihte Wasser, bekreuzigte sich und ging auf die Beichtstühle zu, die den vorderen Teil des Kirchenschiffes zu beiden Seiten flankierten. Sie schlüpfte gleich in den ersten. Kniend und mit gesenktem Kopf wandte sie sich der inneren Wand zu. Gleich darauf wurde das Fensterchen aufgeschoben. Hinter dem Gitterwerk konnte sie die Umrisse des Priesters ausmachen, aber nicht sein Gesicht. Sie blieb ihm ebenfalls verborgen.
    „Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt. Seit meiner letzten Beichte sind zwei Wochen vergangen.“
    „Welche Sünden hast du zu bekennen, mein Kind?“
    Sie rang die Hände, und ihr Herz schlug so heftig, dass es schmerzte. „Vater ich … ich bin unter einem Vorwand zu Ihnen gekommen. Ich wollte eigentlich nicht beichten, ich brauche Ihren Rat. Sehen Sie, ich …“ Angst und neuerliche Verzweiflung schnürten ihr die Kehle zu, drohten sie zu ersticken. „Ich kann mich sonst an niemand wenden, Pater. Wenn Sie mir nicht helfen können, weiß ich nicht, was ich tue. Dann bin ich verloren.“ Hope schlug weinend die Hände vors Gesicht. „Bitte, Pater, bitte helfen Sie mir!“
    „Beruhige dich, mein Kind. Natürlich helfe ich dir. Sage mir, was dich bedrückt.“
    Hope schauderte. „Die Frauen meiner Familie sind böse und lüstern, Pater. Sie sind Sünderinnen, sie verkaufen sich und ihre Körper. Es war immer so in meiner Familie, wir sind verflucht.“ Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich bin dem Fluch entkommen, aber jetzt fürchte ich um die unsterbliche Seele meiner neugeborenen Tochter. Ich fürchte, dass auch sie böse und lüstern wird. Ich sehe die Sünde in ihr, Vater, und ich habe solche Angst.“
    Der Priester schwieg einen Augenblick. Dann begann er leise, aber mit solcher Kraft und Überzeugung zu sprechen, dass Hope ruhiger wurde.
    „Die Sünde oder das Böse steckt in uns allen, mein Kind. Eva reichte Adam den Apfel, er nahm die verbotene Frucht, und die Sünde
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