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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Autoren: Erica Spindler
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von den Händen und bewunderte ihr Werk. Die ganze Woche hatte sie die vorderen Beete mit einjährigen Sommerblumen bepflanzt. Nun war die gesamte Galerie gesäumt von drei Reihen hellroter Begonien.
    Passend für die Frauen, die hier gelebt und gearbeitet hatten. Frauen, deren Leben sie faszinierten. Glory hatte sich in ihre Geschichten vertieft, in ihre Hoffnungen, Träume und Enttäuschungen, die ihnen offenbar reichlich beschert worden waren. Was diese Frauen zweifellos nicht gekannt hatten, war ein normales Leben.
    Glorys Faszination hatte zu Verständnis geführt, Verständnis zu Mitgefühl. Es waren keine schlechten Frauen gewesen oder gar teuflische, wie ihre Mutter mit ihrer kranken Psyche geglaubt hatte. Es waren verlorene Frauen gewesen, gefangen in der Welt, die sie erschuf, die aber weder den Platz noch das Herz hatte, sie zu akzeptieren.
    Vom Mississippi wehte eine Brise herüber. Glory hielt ihr lächelnd das Gesicht hin und genoss die Kühlung. Indem sie die Frauen dieses Hauses verstand, begann sie auch sich selbst zu verstehen. Auch sie war gefangen gewesen, durch die Unfähigkeit ihrer Mutter, sie zu lieben und sie als die Person anzunehmen, die sie war. Und durch ihre sklavische Sucht nach eben jener Anerkennung und Liebe war sie selbst unfrei geworden.
    Die Liebessehnsucht war so stark gewesen, dass sie versucht hatte, sich zu ändern und der Mensch zu werden, den ihre Mutter lieben konnte.
    Kaum zu glauben, ein Leben lang hatte Hope sie betrachtet, als fehle ihr etwas, als sei etwas nicht in Ordnung mit ihr. Dabei war Hope es gewesen, mit der etwas nicht in Ordnung gewesen war.
    Glory lachte leise. Endlich war sie frei, konnte sie selbst sein und jeden Augenblick genießen. Nie wieder würde sie versuchen, sich zu verändern. Nie wieder würde sie an sich zweifeln, nur weil ein anderer an ihr zweifelte. Nie wieder würde sie sich fragen: Wer ist Glory St. Germaine?
    Sie wusste es jetzt.
    Hinter sich hörte sie ein Auto die Auffahrt heraufkommen. Sie drehte sich um und beschattete die Augen mit einer Hand, um den Wagen erkennen zu können.
    Santos. Er war endlich da.
    Mit heftigem Herzklopfen sah sie ihn näher kommen und auf sie zugehen. Er hatte ihr gefehlt. Sie hatte sich nach ihm gesehnt. Aber sie hatte zunächst allein mit ihrer Verwirrung und Verunsicherung fertig werden müssen.
    Als sie ihn sah, war ihr klar, dass sie keine halbherzige Beziehung zu Santos wollte. Obwohl es verlockend war, auch darauf einzugehen, falls es keine andere Möglichkeit gab.
    Er blieb mit ernstem Gesicht vor ihr stehen. „Hallo, Glory.“
    „Santos.“ Sie lächelte und fühlte sich fast beschwipst vor Glück. „Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst. Ob du kommst.“
    „Und ich habe mich gefragt, ob du mich sehen willst.“
    „Aber natürlich.“ Sie legte ihm eine Hand auf die Brust. Sein Herz schlug kräftig und schnell. „Ich bin froh, dass du da bist.“
    Er legte ihr eine Hand an die Wange. „Alles in Ordnung mit dir? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
    Sie legte ihre Hand auf seine und schmiegte die Wange in seine Handfläche. „Mir geht es gut, wirklich gut, Santos.“
    „Du hast mir gefehlt.“
    Ihr Herz schlug noch ein bisschen schneller, und die Hände wurden ihr feucht. „Und du mir. Sehr sogar.“
    Er beugte sich vor, presste die Lippen kurz auf ihre und wich wieder zurück. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“
    „Wirklich?“
    Er zog eine kleine weiße Pappschachtel aus seiner Sakkotasche. Zumindest war sie mal weiß gewesen. Jetzt war sie schmutzig und ziemlich verschlissen. Sie sah fast aus, als hätte jemand sie ein Leben lang in der Faust gehalten.
    Santos nahm Glorys Hand, drehte die Innenfläche nach oben und legte das Kästchen hinein. „Für dich.“
    Sie sah ihn erwartungsvoll an und las in seinen Augen tiefe, aufrichtige Gefühle. Leicht zitternd öffnete sie das Kästchen sorgfältig und voller Ehrfurcht. Darin lag, eingewickelt in Seidenpapier, ein Paar Ohrgehänge. Glory nahm sie heraus und hielt sie gegen die Sonne. Die Perlen aus geschliffenem Buntglas glitzerten in allen Farben des Regenbogens.
    „Sie gehörten meiner Mutter“, erklärte Santos leise, nahm ein Gehänge, klippste es ihr ans Ohr und tat dasselbe mit dem anderen. „Sie sind das Einzige, was sie mir hinterlassen hat. Sie hat sie sehr geliebt.“
    „Ich werde sie in Ehren halten, Santos“, versprach sie gerührt. „Immer.“
    Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn ins Haus und nach oben.
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