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Verborgene Liebesglut

Verborgene Liebesglut

Titel: Verborgene Liebesglut
Autoren: Gaylord de Woolf
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von der Stirn. Offenbar hatte er einen langen Ritt hinter sich. „Thomas, wo ist Philippe? Ich muß ihn sehen, auf der Stelle."
    „Setz dich erst mal, und trink eine Tasse Tee. Ich erkläre dir alles”, forderte der Major ihn auf.
    Doch Wilcox schüttelte den Kopf. „Miss Allen sagte mir, er sei gestern nacht ausgeritten. Wo ist er?"
    Beunruhigt sah er den Major an.
    „Thomas. Bitte sprich! Wohin ist Philippe gegangen?"
    „Zurück nach Frankreich. Kurz nach Mitternacht hat er das Haus verlassen Richtung Dover."
    „Was?" Der Lord sah den Major verständnislos an. Diese Neuigkeit schien ihn dermaßen zu überraschen, daß er einige Sekunden benötigte, um ihre Bedeutung zu erfassen. „Aber warum? Ich meine, warum hast du ihn nicht aufgehalten? Du hättest das verhindern müssen."
    Wie ein gefangener Löwe ging der Lord im Speisezimmer auf und ab. Der Major beobachtete seinen Freund beunruhigt. So fassungslos hatte er ihn noch nie gesehen.
    „Wilcox", erwiderte er nachsichtig. „Wie hätte ich ihn aufhalten können?"
    Etwas an dem Tonfall des Majors ließ den Lord aufhorchen. Er unterbrach seine ruhelose Wanderung und blickte seinen Freund bewegt an. „Philippe hat mit dir gesprochen?"
    Der Major nickte.
    Wilcox fuhr sich ungeduldig durch die blonden Haare. „Aber du hast es früher schon geahnt. Das stimmt doch, oder?"
    „Na ja." Die Stimme des Majors klang nachsichtig. „Ich habe so etwas vermutet. Es war nicht sehr schwer zu erraten, was mit dem Jungen los war. Von Anfang an hat er dich angebetet. Doch spätestens nach seiner Genesung von Lady Fairfax' Giftanschlag war mir klar, daß er mehr für dich empfand als nur Freundschaft."
    Der Lord schloß für einen Moment die Augen. „Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, Thomas. Philippe liebte mich, und ich habe es nicht gesehen."
    „Bist du dir da ganz sicher, Wilcox?" fragte Major Livingston zweifelnd.
    Der Lord betrachtete seinen Freund schweigend. Als er endlich sprach, klang er gefaßt. „Du hast recht. Ich wollte es nicht sehen. Statt dessen habe ich ihn weggeschickt. Ich war ein Narr und habe nichts verstanden. Doch nun spüre ich Klarheit."
    „Was meinst du?" Der Major hatte gerade noch Zeit, diese Frage zu stellen, denn Wilcox war bereits an der Tür und wollte den Raum verlassen. Er drehte sich zu ihm um.
    „Ich kann ohne ihn nicht leben, Thomas. Ich muß ihm hinterher. Ich muß versuchen, ihn aufzuhalten!"
    Er stürmte aus dem Raum. Der Major folgte ihm. Als er an der Eingangstür angekommen war, hatte Wilcox bereits seinen Araber bestiegen und sprengte aus dem Hof.
    „Viel Glück!" rief er seinem Freund hinterher. Und leise fügte er hinzu: „Gebe Gott, daß du ihn noch erreichst."
    Wilcox ritt in scharfem Galopp davon. Er merkte nicht, daß ein Bauernjunge, der mit seiner Heukarre am Wegrand stand, in Panik zur Seite springen mußte, um nicht von dem stattlichen Pferd umgeworfen zu werden.
    Er nahm weder etwas von dem herrlichen Morgen wahr, dem er entgegenritt, noch von dem Meer, das im Glanz der Sonne azurblau erstrahlte. Er sah die satten Felder nicht, an denen er vorbeikam, und bemerkte nichts von den lieblichen Dörfern, die er passierte. Er trieb seinen Hengst bis zum Äußersten und gönnte weder dem Tier noch sich eine Pause. Nur ein einziger Gedanke bewegte ihn: Würde er Dover rechtzeitig erreichen, bevor Philippe sich einschiffen konnte?
    Angestrengt dachte er nach. Philippe hatte gestern um Mitternacht das Haus verlassen. Er hatte also einen Vorsprung von ungefähr acht Stunden. Allerdings würde er sicher nicht den ganzen Weg in gestrecktem Galopp zurücklegen – wie Wilcox es zu tun beabsichtigte. Sicher würde Philippe sein Pferd schonen wollen und die ein oder andere Rast einlegen. Auch würde es einige Zeit brauchen, bis er ein Schiff fand, das ihn mitnahm, da es seit der Kontinentalsperre keinen offiziellen Handels- und Passagierverkehr mehr mit dem Kontinent gab. Natürlich liefen immer wieder kleine Boote aus, die heimlich in Holland oder Spanien Waren an Bord nahmen. Doch er würde sich im Hafen umhören müssen, wann sich die nächste Gelegenheit dazu bot. Dennoch blieb Philippe immer noch ein ordentlicher Vorsprung.
    Während seines langen Ritts wurde Wilcox von den unterschiedlichsten Gefühlen heimgesucht. Einmal trieb die Zuversicht ihn an, den Geliebten noch rechtzeitig zu erreichen, nur um in der nächsten Sekunde von tiefer Verzweiflung abgelöst zu werden, die ihm die Angst, er könnte Philippe für immer
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