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Verarschung

Verarschung

Titel: Verarschung
Autoren: Lars Arffssen
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Großmutter hat der Tod ihrer sechzehn kleinen Jungen verständlicherweise hart getroffen, sie hat die letzten Jahrzehnte ihres Lebens in einem Gefängnis für unzurechnungsfähige Straftäter verbracht.
    Vaters Vater war ein talentierter Möbelschreiner und strenger Protestant, der an den Rohrstock glaubte, wenn Sie verstehen, was ich meine», fuhr Arssen fort. «Er hat Vater ebenfalls zum Möbelschreiner ausgebildet, aber Vater rebellierte gegen die strengen religiösen Regeln und die ständigen Schläge. Als der Erste Weltkrieg endete, lief Vater davon. Er war jung und ein hervorragender Läufer, und er lief den ganzen Weg bis nach Deutschland. Das hat natürlich ein paar Wochen gedauert, er musste ja erst Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen und Polen durchqueren. In München hielt er schließlich an. Da waren seine Lederturnschuhe endgültig durchgelaufen. Dort traf er auf einen radikal antisemitischen, arbeitslosen Bohemien, der davon träumte, Künstler zu werden, aber bereits zweimal von der prestigeträchtigen Akademie der bildenden Künste in Wien abgelehnt worden war.»
    «Hitler.»
    «Genau. Damals bestritt Hitler seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf kitschiger Aquarelle, lebte weitgehend auf der Straße und verbrachte seine Tage bei politisch radikalen Gesprächen in Brauhäusern. Mein Vater verfiel ihm gänzlich. Er war sogar der Erste, der ihn mein Führer genannt hat. Später haben sich Hitlers Pläne geändert, aber in diesem frühen Stadium seiner Laufbahn hegte er den Traum, ein Möbelgeschäft zu eröffnen, Völkische Form-Möbel .
    Hitler machte die Entwürfe», fuhr Arssen nach einem ausgiebigen Schlürfen fort, «und Vater kümmerte sich um die Ausführung. Sie begannen mit einfachen Stücken für Büros und Haushalt – Wohnzimmertische, Bücherregale, Schreibtischstühle. Nette, funktionale Gegenstände. Leider gerieten sie damit in die furchtbare Inflation, und nur sehr wenige Deutsche konnten sich einen Nachttisch leisten, der acht Trillionen Mark kostete. Wenn sie mit dem Laden Erfolg gehabt hätten, wäre der Welt wohl erhebliches Elend erspart geblieben. Aber die Geschäfte liefen schlecht, und Hitlers Ehrgeiz verlagerte sich von Möbeln auf die Weltherrschaft. Nachdem der Laden pleitegegangen war, folgte mein loyaler Vater Hitler in die Politik und wurde ein fanatischer Nazi. 1942 berief Hitler ihn zum Leiter des Ministeriums für Arische Möbeltischlerei. Diese Position hatte Vater bis zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands inne. Nach Kriegsende floh er zurück nach Schweden, wo er sich mit Tausenden anderen Schweden zusammentat, die entweder zu Hause oder im Ausland für das Dritte Reich gearbeitet hatten. Er besaß keinen Pfennig, hatte aber all die Möbelentwürfe aufbewahrt, die Hitler in den Tagen gezeichnet hatte, in denen sie Kompagnons gewesen waren. Indem er sie für seine eigenen ausgab, verkaufte er sie an Sløber Ukea, dessen Traum es war, ein Unternehmen zu gründen, das den von einem katastrophalen Krieg genesenden Kontinent mit günstigen Möbeln versorgen würde. Die Entwürfe entpuppten sich als äußerst beliebt, und Sløber Ukea stellte Vater als Tischlermeister ein.»
    Blomberg blickte von seinem Trog auf. «Habe ich das korrekt verstanden? Erzählen Sie mir gerade, dass UKEA in den letzten sechzig Jahren Möbel nach Entwürfen von Adolf Hitler gebaut hat?»
    «Ganz genau.»
    «Wusste Twig davon?»
    «Ich habe versucht, die Familiengeschichte geheim zu halten. Ich habe alles in einem abschließbaren Aktenschrank mit der Aufschrift ‹Unaussprechliche Familiengeheimnisse: nicht öffnen› aufbewahrt. Aber es ist möglich, dass er einiges herausgefunden hat. Twig hat gern herumgeschnüffelt.»
    «Besitzen Sie Hitlers Möbelentwürfe?»
    «Nein. Die müssten sich im Unternehmensarchiv von UKEA befinden.»
    «Haben Sie irgendeine Ahnung, wovon Twigs fehlendes Manuskript handelte?»
    «Zuerst nahm ich an, es sei ein neuer Krimi. Ich habe mit meinem Sohn nie über seine schriftstellerische Arbeit gesprochen. Ich war der Ansicht, dass es profitabler wäre, wenn er sich mal an einer postmodernen Familienromanze versuchen würde, wie der Amerikaner Jonathan Franzen. Aber Twig war stur. Inzwischen glaube ich, dass er ein Sachbuch über diese gefährliche Geschichte geschrieben hat. Er hat mir eine Postkarte zu seinem Projekt geschickt. Ich habe sie mitgebracht, hier.»
    Blomberg sah sich die Postkarte an. Auf der Vorderseite befand sich das Foto eines
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