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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
Autoren: Carmen Korn
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liegt.«
    »O Gott«, sagte Nick. »Denkst du dann an Harlan?«
    »Nein«, sagte Vera, »das widerspräche allen Theorien.«
    »Traust du es ihm zu?«
    Vera schüttelte den Kopf. »Gewalt passt nicht zu ihm. Seelische vielleicht. Die scheint er auf Leo auszuüben.«
    Sie trat in den Flur und schnupperte. »Zwiebelkuchen«, sagte sie, »du bleibst doch zum Abendessen?«
    Es war ein Tag der schnellen Themenwechsel.
    Leo sah auf die Taschenuhr, die auf dem Stehpult lag. Halb vier schon. Harlan musste seit Stunden unterwegs sein.
    Er hatte Gedichte vorgelesen, und sie war auf dem Teppich liegend eingeschlafen. Das erste Mal, dass er sich nach einem Orgasmus zufrieden gegeben hatte.
    Hatte sie seinen Vortrag durch Schläfrigkeit unterbrochen oder auch das Letzte der Gedichte zu Ende gehört?
    Leo erinnerte sich, dass er das Gedicht als ein bedeutendes hervorgehoben hatte. Vermutlich hatte sie ihn verärgert, und er strafte sie nun mit einer langen Abwesenheit.
    Wo war ein Mensch um halb vier Uhr morgens?
    In einer Bar? In einem Bordell?
    Leo trat an das große Fenster und blickte auf die Lichter des Hafens, von denen die wenigsten erloschen waren.
    Ich beweine die blaue Tote.
    War das nicht eine Zeile des Gedichtes?
    Sie drehte sich um. Das Loft lag im Dunkeln. Nur ein kleines Licht brannte in der Nähe des großen Schrankes.
    Der sie magisch anzog. Leo ging hin, obwohl sie wusste, dass sie ihn verschlossen vorfinden würde.
    Die schweren Türen schienen auf den Rahmen geklebt zu sein. Nicht mal rütteln ließ sich an ihnen.
    Leo wollte sich abwenden, als ihre Zehen mit den tiefrot lackierten Nägeln an etwas stießen, das unter den Schrank geschoben worden war. Sie bückte sich.
    Nach einem langen schmalen Teil. In Packpapier gewickelt. Lose. Ohne Klebeband. Ohne Schnur.
    Vielleicht trieb sie das an, das Päckchen auszuwickeln.
    Doch sie war enttäuscht.
    Ein Gegenstand lag vor ihr, den sie im ersten Augenblick für eine elektrische Zahnbürste hielt. Nur, dass sich am vorderen Teil eine lange Nadel befand. Leo wickelte ihn wieder ein.
    Sorgfältig. Strich das Papier glatt, um keine Spur zu hinterlassen.
    Harlan durfte nicht ahnen, dass sie herumschnüffelte.
    Vielleicht sollte sie nach Hause gehen, statt hier auszuharren.
    Leo setzte sich auf das Sofa.
    Von irgendwo schlug es vier.
    Sie war unruhig. Stand auf. Blätterte die Bücher durch im hohen Regal. Keines der Gedichte hatte eine blaue Tote.
    Eine Fotografie lag in einem Band. Älter schon.
    Zwei kleine Mädchen.
    Harlans Schwestern vielleicht.
    Was wusste sie von ihm? Nichts wusste sie.
    Eine jähe Müdigkeit überfiel sie.
    Leo legte sich auf das Ledersofa. Nahm das Plaid aus Mohair. Sie hatte keine Energie mehr, nach Hause zu gehen.
    Ihn zu fragen. Wer die kleinen Mädchen waren.
    Kein Herumschnüffeln, ein Buch aufzuschlagen.
    Das war das Letzte, das Leo dachte, bevor sie einschlief.
    Harlan lenkte die Rover Limousine über den leeren Deich. Leicht ließ sie sich durch die Vierlande lenken. Ein großes Auto, das behände war. Harlan liebte englische Autos.
    Leo war eingeschlafen, als er das Gedicht vorgelesen hatte.
    Was würde er tun mit ihr? Leo hatte die Oberflächlichkeit an sich kleben wie die Schalen eines Vogeleis, aus dem zu schlüpfen ihr nicht vollständig gelang.
    Doch sie war schön. Schön, wie seine Schwester gewesen war. Harlan griff neben sich und zog eine Zigarette aus der Schachtel, steckte sie zwischen die Lippen, zündete sie an.
    »I walk along the streets of sorrow«, sang Marianne Faithful.
    Er hatte Fehler gemacht. Viele Fehler.
    Einer davon war, Leo angesprochen zu haben, als sie auf dem Parkplatz stand. Völlig vergessend, dass er im Kostüm war und auf dem Weg zum Aston Martin.
    Er hatte Glück gehabt. Immer wieder Glück.
    Dass sich Leo nicht erinnerte. Der Äther hatte zu schnell gewirkt. »The boulevard of broken dreams«, sang Marianne.
    Harlan lenkte die Limousine stadteinwärts.
    Was würde er tun? Die Gedichtzeile vollenden?
    Elf Buchstaben.
    »But gigolo and gigolette still sing a song and dance along the boulevard of broken dreams.«
    Seine schöne Schwester. Wo war sie geblieben?
    Er und sie waren zwei reizende kleine Mädchen gewesen.
    Harlan lächelte. Wie gern hatten sie die anderen getäuscht.
    Als ob sie Zwillinge seien. Lotte und Luise.
    Die Zeile vollenden?
    Harlan dachte an Leos schmalen langen Hals.
    Halb fünf, als er die Rover Limousine unter die Brücke der Hochbahn stellte. Er hörte die Glocke schlagen.
    Harlan
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