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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
Autoren: Carmen Korn
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wollte nach seiner Taschenuhr greifen. Doch es fiel ihm ein, dass er sie auf das Stehpult gelegt hatte.
    Vielleicht war Leo gar nicht mehr da.
    Kein verrückter Nachbar, der sie in dieser Nacht weckte.
    Nur ihre Leber. Nick und sie hatten viel zu viel getrunken.
    Ein Edelzwicker zum Zwiebelkuchen. Klassisch. Harmlos.
    Doch dann hatte Anni die elsässischen Schnäpse auf den Küchentisch gestellt. Vera stöhnte.
    Kaum war Perak mal still, zwickte die Leber.
    Sie hatten schrecklich übertrieben gestern Abend.
    Vera griff seufzend zu Romain Gary, der es auch nicht leicht gehabt hatte. Doch sie konnte sich kaum konzentrieren.
    Wie es Nick wohl ginge?
    Das nächste Buch. Jean Amery. Über das Altern.
    Hatte sie nichts Leichtes herumliegen?
    Keine Leo, die Klatschblätter vorbeibrachte.
    Das Leben war doch deutlich ärmer.
    Das vertraute Exlibris von Gustav. Zwei Vögel. Die Schnäbel verschlungen. Wann hatte er das anfertigen lassen?
    Es sah aus, als ob dies zu Primanerzeiten geschehen wäre.
    Else Lasker-Schüler. Mein blaues Klavier.
    Vera las die ersten vier Zeilen. Die sie schon kannte.
    Doch dann stockte sie.
    Es spielen Sternenhände vier
    Die Mondfrau sang im Boote
    Ein Zufall. Ein kleiner Zufall.
    Las der Mörder Gedichte? Die Mörderin. Die Mondfrau.
    Vera las das ganze Gedicht noch einmal.
    Und dachte an Harlan. Lächerlich.
    So lächerlich, dass Vera das Telefon vom Nachttisch nahm.
    Es war kurz vor vier, als es in Nicks Wohnung läutete.
    Nick nahm schnell ab. Er konnte nur wachgelegen haben.
    Die Leber. Die Gedanken.
    Hätte er nicht so viel Misstrauen gegen Harlan in sich gehabt, er hätte gelächelt. Versuch zu schlafen, hätte er gesagt.
    Viele Leute lasen Gedichte.
    »Ich hol dich in zehn Minuten ab«, sagte er.
    »Um wohin zu fahren?«
    »Ein Versuch«, sagte Nick, »vielleicht ist er dort.«
    »Hat das nicht bis morgen Zeit?«
    Nick zögerte. Natürlich hatte das bis morgen Zeit.
    »Nein«, sagte er und klang, als ob er keinen Widerspruch dulde. Er hatte viel zu lang gewartet. Den Dingen ihren Lauf gelassen. Nick wollte nicht wieder in Apathie versinken.
    Dies war seine Aufforderung zum Duell. Im Morgengrauen.
    Leo sollte sehen, dass er durchaus Sinn für Dramatik hatte.
    »Versuch es bei Leo«, sagte er, »vielleicht ist sie zu Hause.«
    Vera stand in ihrem alten Trench vor der Tür.
    Nein. Leo war nicht zu Hause gewesen.
    »Ich beweine die blaue Tote«, sagte sie, kaum, dass sie im Auto saß. »Auch eine Zeile aus dem Gedicht.«
    »Vermutlich sind wir auf dem Holzweg«, sagte Nick.
    Er drehte den Gang so hoch, dass der Golf aufheulte.
    Ein Kavaliersstart. Viel zu laut für einen frühen Morgen.
    Viel zu schnell für einen Holzweg.
    Es war zwanzig vor fünf, als er vor einem Kontorhaus hielt.
    Dessen mächtige Eichentür verschlossen war.
    Natürlich war sie verschlossen. Die einzige private Etage in diesem Haus schien die von Harlan zu sein. Wenn das H.G. auf dem obersten Messingschild seine Initialen waren.
    Vera und Nick sahen sich an.
    Klingeln. Auf den Überraschungseffekt hoffen, der Harlan öffnen ließ. Ein verschlafener Harlan im Kimono.
    Leo mit einer Decke vor dem nackten Körper.
    »Völliger Wahnsinn«, sagte Nick. Er drückte auf den Klingelknopf.
    Harlan zuckte zusammen, als er die Klingel hörte.
    Betrunkene, die aus den Kneipen am Hafen kamen.
    Das war schon vorgekommen.
    Er sah zu Leo hin, die auf dem Ledersofa lag.
    Sie drehte sich und schlief weiter.
    Gut. Er wollte noch nicht, dass sie wach wurde.
    Harlan nahm das Plaid, das halb zu Boden hing, und drapierte es um ihren Körper. Fast liebevoll.
    Dann ging er zur Tür und stellte die Klingel auf leise.
    Er sah sofort, dass das Packpapier abgewickelt worden war. Neugierige Leo. Harlan lächelte. Ein weiterer Grund, das Werk zu vollenden. Es fiel ihm nicht leicht.
    Das Vibrieren der Klingel, das keine Schlafende störte.
    Doch Harlan war irritiert. So beharrlich waren sie noch nie gewesen, die nächtlichen Störer.
    Er öffnete ein Quadrat im großen Fenster. Versuchte hinunterzusehen. Es ließ sich nicht vor die Haustür blicken.
    Das Portal war zu tief.
    Leo sprach im Schlaf. Was sagte sie? Er verstand es nicht.
    Harlan ging zu ihr hin. Streichelte ihr Gesicht. Den Hals.
    Die Schlafende töten. Das war für beide leichter.
    Er hatte immer Frauen für verschiedene Gelegenheiten gehabt. Um ihnen Gedichte vorzulesen. Sex zu haben.
    Sie zu töten. Leo war für alle drei Dinge auserwählt.
    Vielleicht hätte er sie nicht streicheln
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