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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung
Autoren: Nicolas Remin
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unwillkürlich die Lider öffnete und einen erschrockenen Blick an die Decke warf. Aber da hing nur der gläserne venezianische Kronleuchter – eine mit viel Geschmack ausgewählte Kostbarkeit aus dem settecento, die ihn ein kleines Vermögen gekostet und zu einem unangenehmen Gespräch mit seinem Bruder geführt hatte.

    Als Maximilian, Erzherzog von Österreich, sich kurz nach zwölf in die Empfangsräume des Schlosses Miramar begab und ihm die Hochrufe der mexikanischen Delegation ent gegenschallten (ein paar Mexikaner trugen tatsächlich  Sombreros und sahen aus wie Statisten in einer Offenbach-Operette), war ihm schlecht. Sein Magen, von dem er geglaubt hatte er hätte die letzte Nacht gut überstanden, lag wie ein Wackerstein in seinem Körper und gab beunruhigende, kollernde Geräusche von sich. Eigentlich hatte er vorgehabt, den großen Salon im Erdgeschoss blitzenden  Auges und federnden Schrittes zu betreten. Stattdessen stellte es sich als schwierig heraus, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne dass seine Beine hoffnungslos durcheinander gerieten.
    Seine spanische Ansprache litt darunter, dass er – ohne es zu merken – partienweise ins Italienische verfiel und plötzlich in den Text seiner Standardansprache an die Seekadetten geriet. Der allgemeine Eindruck war der, dass der zukünftige Kaiser von Mexiko bereits jetzt die Last der Krone spürte, die alsbald auf seinem Haupt ruhen würde. Das trug ihm viel Sympathie ein.
    Außerdem wurde die Uniform eines ungarischen Pandurengenerals aufrichtig bewundert. Maximilian spürte es an der Art, wie die rollenden Augen seiner mexikanischen Untertanen auf seinem goldbordierten, von einem roten  Federbusch überragten Dreimaster ruhten. Speziell das um die Schulter geschlungene Tigerfell brachte ihm großen Respekt ein. Die Uniform war – militärisch gesprochen – ein Volltreffer.

3

    «Maximilian hat was getragen?», fragte Tron.  Er saß am Fenster und bewunderte die Selbstverständ lichkeit, mit der die Fenster im Palazzo der Principessa di Montalcino den Regen zurückhielten, der gegen die Scheiben trommelte. Wenn es stark regnete, musste man im Palazzo Tron mit Eimer und Lappen hantieren – dann leckte der Palazzo wie ein geflickter Kessel.

    «Die Uniform eines ungarischen Pandurengenerals», sagte die Principessa. «Mit einem Tigerfell über der Schulter.»  Sie hatte es sich auf ihrer Récamiere bequem gemacht,  und in ihrem schlichten Hauskleid erinnerte sie Tron an Canovas Skulptur von Joséphine de Beauharnais. Als einziges Schmuckstück trug die Principessa eine Brosche mit einem Smaragd, der fast dieselbe Farbe hatte wie ihre Augen.
    Tron beugte sich in seinem Sessel nach vorn. «Ein Tigerfell?»
    «Das Fell gehört zur Uniform.»
    «Hat das nicht albern ausgesehen?»
    Die Principessa zog die Augenbrauen hoch. «Absolut  nicht. Die mexikanische Delegation war tief beeindruckt.»  Sie wandte ihr Gesicht dem äthiopischen Diener zu, der  mit frischem Kaffee auf der Schwelle des Salons erschienen war, und gab Tron die Gelegenheit, ihr perfektes Profil zu bewundern. Der Diener trug Pluderhosen und einen Turban, im Gürtel einen Krummdolch. Kein Wunder, dachte Tron, dass die Principessa Uniformen mit Tigerfell für  normal hielt.
    «Stell ihn auf den Tisch, Moussada», sagte die Principessa.
    Hatte sie ihn jetzt Moussada oder Massouda genannt?
    Tron fand, dass die äthiopischen Diener der Principessa alle ziemlich ähnlich aussahen. War das derselbe Diener, der vor zehn Minuten die Vorhänge geöffnet hatte? Aber der hatte, soweit sich Tron erinnerte, einen grünen Turban getragen, und dieser Turban hier war rot. Dann gab es noch den Diener mit blauem Turban, der vor einer halben Stunde die Post in den Salon gebracht hatte. Zu dem hatte die Principessa vorhin Wassouda gesagt – oder Woussada?

    Tron seufzte. Das alles war genauso verwirrend wie der  obszöne Luxus, der im Palazzo Balbi-Valier herrschte. Der Salon der Principessa war reinstes settecento – in seiner schlichten Hausjacke, ohne Kavaliersdegen und Schnallenschuhe, kam er sich immer falsch angezogen vor. Bei den Möbeln handelte es sich um kostbare, in Paris ersteigerte Einzelstücke, und an den Wänden hingen, Rahmen an Rahmen, Originale von Guardi, Tiepolo und Piazzetta – Gemälde, nach denen sich Trons Freund Alphonse de Siv ry, der an der Piazza ein Antiquitätengeschäft betrieb, die Finger geleckt hätte. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass die Principessa
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