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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung
Autoren: Nicolas Remin
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nach Operette anhörte. Andererseits war nicht zu bestreiten, dass seine Situation hier in Europa mit jedem Tag unhaltbarer wurde. Seine Position als Konteradmiral der österreichischen Marine war ein Witz (die österreichische Marine selber war ein Witz) und einem Mann mit seinen Fähigkeiten völlig unangemessen. Ebenso unangemessen wie seine Apanage, die ihn (und oft mit beträchtlicher Verspätung) halbjährlich aus Wien erreichte.
    Seine jährlichen Einkünfte betrugen einhundertfünfzigtausend Gulden im Jahr. Die Schulden, die er im Laufe der Jahre angehäuft hatte, schätzte er (leider hatte er ein wenig die Übersicht verloren) auf mindestens eine drei viertel Million. Und von den einhundertfünfzigtausend Gulden gingen bereits knapp sechzigtausend für Zinsen weg. Das alles war so … erniedrigend.
    Maximilian erhob sich schwankend, durchquerte sein  Schlafzimmer mit dem schaukelnden Gang eines Matrosen,  der nach langer Seereise wieder festen Boden unter den  Füßen hat, und trat ans Fenster.
    Über dem Meer, das direkt an die Felsen heranreichte,  auf denen das Schloss Miramar erbaut worden war, lag immer noch eine morgendliche Dunstschicht, aber der Himmel war bereits vollständig klar. Zwei Fischerboote, die von Triest her kamen, bewegten sich langsam am Horizont, ihre Segel blitzten in der Sonne. Bald würde sich ein strahlend  blauer Himmel über dem Golf von Triest wölben, und bei  dem Gedanken, dass sein kaiserlicher Bruder gezwungen  war, den größten Teil des Jahres im muffigen Schloss  Schönbrunn zu verbringen, lächelte er.
    Dann fiel sein Blick auf das aufwändig in das Gestein gesprengte Hafenbecken und die beiden ägyptischen Marmorsphinxe, die die Einfahrt flankierten. Seine Miene verdüsterte sich schlagartig, als er an die Unsummen dachte, die allein die Anlage des Hafens verschlungen hatte. Tatsache war, dass Schloss Miramar mit Geld finanziert war, das er nicht besaß, und sein kaiserlicher Bruder ließ keine Gelegenheit aus, ihm diesen Umstand unter die Nase zu reiben.
    So gesehen war es nur logisch, dass er, Maximilian, sofort elektrisiert gewesen war, als man ihm im September 1861 die mexikanische Kaiserkrone angeboten hatte. Er hatte nicht auf der Stelle zugesagt, das wäre voreilig gewesen, auch herrschte in der ehemaligen spanischen Kolonie immer noch ein gewisses Chaos. Doch nachdem es der französischen Invasionsarmee gelungen war, erst Puebla und dann Mexiko-Stadt von den Juaristas zurückzuerobern, hatte er seine Bereitschaft, die mexikanische Kaiserkrone anzunehmen deutlich signalisiert. Mexiko! Ein Land mit fruchtbarer, tropischer Erde, einer (hatte ihm jemand erzählt) emsigen Bevölkerung und ein Land voller – Bodenschätze!
    Maximilian (der an Cortez und Pizarro denken musste)  schloss vor lauter Erregung die Augen, als er an die Bergwerke der Sonora dachte. Stollen voller Silber! Ungeheure Schätze, die nur darauf warteten, seine Schulden zu tilgen und sich später in zinnenbewehrte Schlösser und schimmernde Marmorgalerien zu verwandeln. Wenn sich die politischen Verhältnisse in Mexiko stabilisiert hatten, wür de er Lizenzen erteilen und Provisionen kassieren. Beim Gedanken an die Provisionen straffte sich seine Gestalt. Er richtete sich auf. Seine Gesichtszüge wurden hart und würdevoll, und er schien um ein paar Zentimeter zu  wachsen.

    In dieser staatsmännischen Haltung (Maximilian hatte inzwischen beschlossen, die mexikanische Delegation in der Uniform eines ungarischen Pandurengenerals zu empfangen – eine Uniform, zu der ein Tigerfell gehörte und die den angemessenen Einschlag ins Phantastische hatte) traf ihn Schertzenlechner an. Sein Kammerdiener und Privatsekretär betrat kurz nach zehn Uhr das erzherzogliche Schlafzimmer. Auf dem Tablett, das er in den Händen trug, standen eine Tasse Milchkaffee und ein silberner Teller mit zwei Hörnchen.
    Noch bevor Schertzenlechner das Tablett abgesetzt hatte, sah Maximilian in seinen Augen, dass er es getan hatte –  und auch, dass er es ablehnen würde, ihm von den grausamen Einzelheiten zu berichten.
    Das Schlimme war, dass es eine echte affaire du cœur gewesen war und dass er, Maximilian, das Mädchen zum Schluss tatsächlich geliebt hatte. Nicht nur wegen ihrer verblüffenden Ähnlichkeit mit seiner kaiserlichen Schwägerin, sondern weil sie nach zwei oder drei Monaten ihrer Bekanntschaft eine aufrichtige Zuneigung zu ihm entwickelt hatte. Das hatte ihn gerührt – umso mehr, als ihr damals
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