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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung
Autoren: Nicolas Remin
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speiste, solange es die Temperaturen zuließen.
    Auf den ersten Blick erweckten der kostbare Tafelaufsatz und die silbernen Kerzenleuchter den Eindruck einer üppigen Tafel – in Wahrheit aber hatte es zähe Koteletts gegeben, davor eine säuerliche Fischsuppe, in der lauter Gräten schwammen, die groß genug waren, um sie Dracula ins Herz zu rammen. Alessandro hatte in Livree und weißen  Servierhandschuhen bedient und sich, nachdem er den Kaffee gebracht hatte, in die Küche zurückgezogen.
    «Natürlich nicht für mich», fuhr die Contessa fort. «Das sind zwei Treppen mehr, und ich bin nicht mehr die Jüngste.»
    Tron hob den Kopf und riskierte einen Blick zur gegenü berliegenden Seite des Esstisches. Die Contessa hatte die Kaffeetasse abgesetzt und griff nach der Grappaflasche, um ihren Kaffee großzügig aufzuhübschen. Tron wusste, was sie gleich sagen würde. Nämlich, dass das Obergeschoss des Palazzo Tron für ihn und die Principessa genau das Richtige sei.
    «Aber für euch ist das Obergeschoss ideal.» Na bitte –  fast wörtlich. Die Contessa führte die Tasse zum Mund,  nahm einen kräftigen Schluck und lehnte sich heftig ausatmend zurück. Ihre Augen glänzten wie poliertes Silber.  Tron schätzte, dass ihr Kaffee inzwischen zur Hälfte aus Grappa bestand.
    «Ich glaube, dass es noch ein bisschen zu früh ist, um zu entscheiden, wo wir wohnen werden», sagte Tron.

    «Ich frage mich, was es da zu entscheiden gibt.»
    «Maria könnte es vorziehen, woanders zu wohnen.»
    Die Contessa wischte Trons Einwand vom Tisch. «Als  deine Frau wird sie selbstverständlich hier wohnen. Da  kann ich sie unter meine Fittiche nehmen. Ihr einen gewissen gesellschaftlichen Schliff geben.»
    «Hast du den Eindruck, dass sie den benötigt?»
    «Es sind die kleinen Dinge, die zählen.»
    «Wir haben über alles das noch nicht gesprochen», sagte Tron.
    «Es gibt auch keinen Grund, über Selbstverständlichkei ten zu sprechen. Allerdings weiß man bei der Principessa nie.» Der Seufzer der Contessa klang resigniert; es war der Seufzer einer Märtyrerin.
    «Wie meinst du das?»
    «Sie könnte auf den Gedanken kommen, dass du zu ihr  in den Palazzo Balbi-Valier ziehst.»
    Tron nickte. «Auf den Gedanken könnte sie kommen.»
    «Dann wirst du eben ein Machtwort sprechen, Alvise.»
    «Die Vorstellung, dass ich der Principessa gegenüber von einem Machtwort Gebrauch machen könnte, ist lächerlich.»
    «Willst du damit andeuten, dass sie den Willen ihres Gatten nicht respektiert?»
    «In dem Umfang, in dem ich auch ihren Willen respektiere, sicherlich.»
    «Das ist keine klare Antwort.»
    «Auf diese Frage gibt es keine klare Antwort.»
    «Und diese Tätigkeit, der die Principessa nachgeht? Habt ihr darüber schon ein Gespräch geführt?»
    «Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.»
    «Der Platz einer Frau ist im Haus, Alvise. Und hier im  Palazzo Tron wird genug zu tun sein. All die Gesellschaf ten, die wir geben werden! Ich könnte zwei Maskenbälle in der Saison veranstalten! Nicht, dass ich alles bestimmen werde. Die Principessa darf ruhig ihre eigenen Vorschläge machen. Sie sollte sich natürlich darüber im Klaren sein, dass sie noch einiges zu lernen hat. Immerhin kommt sie aus …»
    Die Contessa unterbrach sich, um einen weiteren  Schluck von ihrem aufgehübschten Kaffee zu trinken.
    Gleich würde sie eine schwungvolle Bemerkung über die  bescheidenen Verhältnisse machen, denen die Principessa entstammte.
    «… relativ bescheidenen Verhältnissen», vollendete die  Contessa den Satz.
    Na bitte. Wieder fast ein Volltreffer. Tron unterdrückte den Impuls, seinen Kaffee ebenfalls aufzuhübschen. Er sagte: «Ich bezweifle, dass die Principessa die Absicht hat, sich aus ihren Geschäften zurückzuziehen, wenn wir geheiratet haben.»
    «Als Contessa Tron? Hast du dir überlegt, in welches  Licht dich das setzen würde?»
    «Maria hat in den letzten zwei Jahren vor dem Tod des  Fürsten dessen Geschäfte ganz allein geführt. Ohne dass sich der Fürst dadurch in seinem Ansehen beeinträchtigt sah.»
    Die Contessa spitzte die Lippen. «Ich glaube nicht, dass man die Montalcinos mit den Trons vergleichen kann.»
    Wie immer klang der Name Montalcino aus ihrem Mund  in etwa so wie Mülleimer oder Schweinepest.
    «Du meinst, bei den Montalcinos kommt es nicht so darauf an.»
    «So deutlich wollte ich es nicht ausdrücken.»
    «Mich würde es nicht stören, wenn Maria weiterhin ihren Geschäften nachgeht.
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